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Bibliotheken eine Woche geschlossenSystemupdate der Superlative

Jetzt schnell noch mal in die Bibliothek: Für eine digitale Umstrukturierung schließt die VÖBB alle Berliner Filialen ab 17. November für eine Woche.

Hier ist es meist recht still, jetzt kommt acht Tage niemand mehr: Stadtbibliothek Breite Straße Foto: Björn Brinkmann

Verzweiflung liegt in der Stimme von Inés G.: „Ich bin etwas unglücklich damit.“ Die einwöchige Schließung aller Häuser des Verbundes der öffentlichen Bibliotheken Berlins (VÖBB) ab diesem Samstag trifft die Studentin aus Italien hart: „Ich kann für meine Masterarbeit nur hier recherchieren und darf die Bücher, die ich brauche, leider nicht ausleihen.“

Nicht für alle der knapp 9,5 Millionen jährlichen Bibliotheksbesucher dürfte die anstehende Betriebspause derartig dramatische Auswirkungen haben. Dennoch, aus vielen Besuchern im lichtdurchfluteten Foyer der Berliner Stadtbibliothek in der Breiten Straße bricht ihre Betroffenheit nur so heraus.

„Ich musste beim Job komplett umplanen, um diese Woche nur lernen zu können“, erzählt etwa Greta Moreen Wistrand. Dabei schließen nicht nur die Gebäude, auch die Benutzung des Katalogs sowie Ausleihen und Rückgaben sind nicht möglich. Fakt ist: Viele Menschen in Berlin sind auf die ein oder andere Art auf die 81 Einrichtungen der VÖBB angewiesen. Warum werden diese Herzstücke öffentlichen Raumes für gleich acht Tage unzugänglich sein?

„Wir haben es uns wirklich nicht leicht gemacht mit der Entscheidung“, beteuert Anna Jacobi, Pressesprecherin der Zentral- und Landesbibliothek. Sämtliche Daten des VÖBB müssten in eine andere Daten-Infrastruktur umziehen.

In Zukunft Open-Source

Die Maßnahme sei vergleichbar mit dem Übertragen einer Excel-Tabelle in ein anderes Programm: „Bei so einer großen Institution ist das natürlich ein wahnsinnig komplexer Vorgang und dauert mehrere Tage“, sagt Jacobi. Man stelle sich eine Excel-Tabelle mit knapp 7,5 Millionen Spalten vor – so viele Medieneinheiten zählt der Bestand des VÖBB.

Notwendig werde der Umzug wegen einer digitalpolitischen Entscheidung des Senats, so Jacobi. Man will weg vom Software-Anbieter Oracle, der in letzter Zeit mit steigenden Preisen viele Kunden vergrault hat. Ende November läuft die Frist für eine Umstellung ab.

Es wird wohl im Nachhinein noch kleinere Fehler auszubessern geben

Um sich ihrem Ziel einer Digitalisierung der Behörden anzunähern, setzt die Senatsverwaltung für Inneres auf eine Standardisierung der Informationstechnik. Die Bibliotheken entschieden sich im Rahmen der Vorgaben dabei schließlich für eine Open-Source-Software, vor allem aus Kostengründen. Als Open Source bezeichnet man Software, die nicht von einem einzigen kommerziellen Anbieter kontrolliert, sonder in einem offenen und transparenten Prozess entwickelt wird.

Software-Experte Frank Termer vom Branchenverband Bitkom sieht gerade deshalb mehr Vorteile in der Verwendung von Open-Source-Produkten als bloße Einsparung: „Durch die offene Architektur der Software bleibt man flexibel und kann bei Bedarf leichter zu anderen Anbietern wechseln.“ Außerdem werde es möglich, die Technik in Eigenregie an den Bedarf anzupassen.

Ein weiterer Grund für die vorübergehende Schließung dürfte viele der jährlich 21,3 Millionen Onlinebesucher freuen: Eine neue handyfreundliche Benutzeroberfläche soll die Recherche und die Nutzung digitaler Angebote erleichtern. Die aktuelle Seite erinnert in der Tat eher an Zeiten, in denen Handys noch fast so breit wie hoch waren. „Zwar testen wir das neue System seit Mai intensiv, aber bei so einem Riesenprojekt wird es wohl im Nachhinein noch kleinere Fehler auszubessern geben“, so Pressesprecherin Jacobi.

Für alle Bücherwürmer heißt es jetzt, sich noch schnell vor Samstagabend mit Lesestoff einzudecken. Ein literarischer Hurrikan zieht vorüber.

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