Bezahlmodelle für Online-Journalismus: Klicks als Sattmacher
Zeitungen, Verlage und Journalisten suchen digitale Finanzierungskonzepte für guten Journalismus. Paywalls sind nicht die einzige Idee.
Die Frage, wer künftig für welche Art von Journalismus wie bezahlen soll, treibt die großen Zeitungen und ihre digitalen Ausgaben um. „Wir sind als Gesellschaft gerade in einer sehr spannenden Phase, in der wir uns vermehrt fragen, welchen Journalismus wir wollen und brauchen - und wie viel wir bereit sind, hierfür zu zahlen“, sagt Wiebke Loosen, Medienwissenschaftlerin an der Universität Hamburg.
Kleinere Online-Plattformen und freie Journalisten gehen wesentlich kreativer mit dem Problem um. Ihre zumeist ohnehin prekäre Lage fördert ein Denken, das über reine Bezahlschranken im Netz hinausgeht.
So werden beispielsweise Crowdfunding-Plattformen wie Krautreporter immer beliebter. Hier können Journalisten Themen- und Projektvorschläge mitsamt Kostenkalkulation vorstellen und die Netz-Community um finanzielle Unterstützung bitten. „Ich halte das Modell grundsätzlich für gut geeignet, innovative journalistische Projekte oder auch klar abgrenzbare publizistische Vorhaben, die vielleicht nur für bestimmte gesellschaftliche Gruppen von Interesse sind, zu fördern“, sagt Jan-Hinrik Schmidt, Medienforscher der Universität Hamburg.
Eines dieser „innovativen Projekte“ ist De Correspondent. Das niederländische Online-Magazin gab im vergangenen Jahr sein vielbeachtetes Debüt – dank Crowdfunding. Mit der Idee, tiefgehende und hintergründige Analysen und Geschichten abseits von Mainstream und Liveticker zu bieten, hatte die kleine Gruppe junger Redakteure in einer viralen Online-Kampagne um Spender gebeten. Auf den ersten Blick widersprach ihr Konzept jeder offiziellen Theorie, wie Journalismus online zu vermarkten wäre. De Correspondent sollte lang sein, nicht ganz billig und auf keinen Fall tagesaktuell.
Mit der Crowd zum YouTube-Star
Die benötigten 15.000 Abonnenten für den Start hatte De Correspondent nach nur einer Woche. Das Online-Magazin sammelte rund 1,3 Millionen Euro Startkapital, Crowdfunding-Rekord für ein Journalismusprojekt. Inzwischen hat sich die Abo-Zahl verdoppelt, das Magazin scheint sich längerfristig halten zu können.
Mit einem spezialisierten Angebot für eine interessierte, treue Gemeinschaft versuchen es auch vermehrt deutschsprachige Journalisten, wie Georg Dahm und Denis Dilba. Sie wollen per Anschubfinanzierung der Crowd das „erste digitale Wissenschaftsmagazin“ Deutschlands gründen. Oder wie Thilo Jung. Mit seiner einfach produzierten Interview-Serie Jung&Naiv rückt Jung erfolgreich Politikern auf die Pelle. Damit schaffte er es zu einer YouTube-Berühmtheit. Jetzt sammelt der „freie Chefredakteur“ Unterstützerspenden für eine große Reise zur Europawahl.
„Die Abos sind das Crowdfunding des Biedermeiers“, sagt Hans Hütt, freier Autor und seit 2013 Redakteur von Jung&Naiv. Für Hütt ist die Finanzierung journalistischer Projekte durch Crowdfunding mit der Finanzierung durch Abonnements vergleichbar: Geld, das die Arbeit für eine gewisse Dauer garantiert. Abseits von großen Redaktion könnten Crowdfunding-Projekte freie Journalisten so „etwas unabhängiger“ machen und einen „anderen Blick auf Themenkonjunkturen“ ermöglichen, so Hütt. Wer „das Trommeln in eigener Sache“ allerdings nicht beherrsche, laufe Gefahr, kein oder nicht genügend Geld zu bekommen.
Crowdfunding sei kein Modell für eine dauerhafte Finanzierung von Journalismus, sagt Medienforscher Schmidt. „Man würde sich dann ja streng genommen in Richtung einer „Dauerspende“ bewegen. Und dann ist man auch wieder bei Modellen wie Paywall oder aber Öffentlich-Rechtliche Gebühr.“ Zudem sei der aktuelle Stellenwert von Crowdfunding-Projekten im Journalismus schwer zu beurteilen. Die Schwarmfinanzierung bleibt für Schmidt daher nur eines von verschiedenen Bezahlmodellen, an dieser Situation werde sich „auf absehbare Zeit“ auch nichts ändern.
Das Risiko des Scheiterns
Ob Paywall, Micropayment-Systeme, geringe Abgaben beispielsweise für einzelne Artikel, oder Crowdfunding: „Keines dieser Modelle wird sich als einzig dominierendes durchsetzen, und Journalisten, Netzwerke und Verlage werden weiterhin experimentieren, um das für die eigene Situation passende zu finden - mit dem Risiko des Scheiterns“, so Schmidt. Auch aus „demokratietheoretischen Überlegungen“ heraus hält der Medienforscher daher ein „modifiziertes Modell“ der öffentlich-rechtlichen Finanzierung für einen „ganz wesentlichen Baustein des Online-Journalismus der Zukunft“.
In Deutschland haben derzeit 74 Zeitungen Paywalls für ihr Online-Angebot eingerichtet, wie der Bund der Deutschen Zeitungsverleger ermittelte. Die große Mehrheit davon sind sogenannte „metered paywalls“ oder „freemium“-Angebote, Konzepte also, bei denen eine bestimmte Anzahl an Artikeln oder ein bestimmtes Basisangebot frei zugänglich ist und für alles Weitere bezahlt werden muss. Der Erfolg dieser Varianten fällt bislang eher bescheiden aus. Wohl auch, weil die jeweilige Paywall in der Regel eine für alle ist. Unterschiede im Leseverhalten der Kunden werden meist nicht berücksichtigt.
Die New York Times hingegen, für viele ambitionierte Blätter hierzulande das Vorbild in Sachen Onlinevermarktung, versucht bereits seit längerem mit verschiedenen Digitalpaketen den jeweiligen Bedürfnissen ihrer Kunden gerecht zu werden. Die Angebote variieren, je nach dem, ob jemand Vielleser von einer großen Anzahl an Texten, kurzer News-Leser oder Intensivleser von einer Handvoll ausgewählter Artikel ist. Mit einer neuen App will die Times außerdem mobile Nutzer besser erreichen.
Überhaupt dreht sich viel um die Frage der Erreichbarkeit. Bei Focus online hat man die Bedeutung von mobiler Nutzung und Social Media erkannt. Die Nachrichtenseite bleibt werbefinanziert, versucht aber, das eigene Angebot verstärkt in den sozialen Netzwerken zu platzieren.
Hauptsache Webtraffic
Die Idee funktioniert. Focus.de verzeichnete im Januar-Ranking der Arbeitsgemeinschaft Online-Forschung knapp 12 Millionen Unique User. Bei der Nachrichtenseite betont man, wie wichtig es gewesen sei, alle Redaktionen – egal ob Print oder Online – an „einem Strang“ ziehen zu lassen, und nennt den neuen Geist im Haus „reine Digitalkultur“. Diese Kultur besteht jetzt besonders darin, viel Webtraffic auf die eigenen Seiten zu leiten, denn das bedeutet vor allem eines: Viel Geld mit Werbung.
Von einer neuen „Digitalkultur“ sind viele deutsche Zeitungen noch weit entfernt. Die Verlage tun sich schwer mit den Veränderungen in der Branche. Hinzu kommen vielerorts nach wie vor ideologische Streitereien zwischen Print- und Online-Journalisten, wie zuletzt in der Debatte um den „Hoodie-Journalismus“.
Es ist ausgerechnet die dicke, unhandliche Wochenzeitung Die Zeit, die offenbar nicht vom kollektiven Zeitungssterben oder zumindest dem Jammern darüber betroffen ist. In Hamburg weist man in eine Richtung, in die es auch für viele Tageszeitungen bald gehen könnte. Weg von der täglichen Printausgabe, dafür aber eine große, eigenständig arbeitende Online-Redaktion mit verschiedenen Ressorts, die der Online-Community die Highlights der wöchentlichen Zeitung in leicht verdaulichen Häppchen anpreist. Das Konzept geht auf. Die Zeitung verzeichnet entgegen aller Trends Zuwächse bei den Käufern.
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