Bewegungstermine in Berlin: Einmischen oder klare Kante?
Am 3. Oktober will sich Sahra Wagenknecht als Friedensengel inszenieren. Die linke Szene weiß nicht, ob sie das von innen oder außen kritisieren soll.
E s ist kein großes Geheimnis, wer auf der „Nie wieder Krieg“-Demonstration am kommenden Donnerstag (3. 10.) der große Star sein wird: Sahra Wagenknecht. 25.000 Leute erwarten die Veranstalter:innen des Sternmarsches gegen Krieg und Hochrüstung. Auftaktkundgebungen finden am Breitscheidplatz in Charlottenburg, an der Rathenower Straße in Alt-Moabit und am Gleisdreieck am Schöneberger Ufer jeweils um 12 Uhr statt. Von dort aus geht es zum Großen Stern, wo um 14:30 Uhr die Schlusskundgebung losgehen soll.
In dem Aufruf unter dem Motto „Nein zu Krieg und Hochrüstung – Ja zu Frieden und internationaler Solidarität“ steht viel Richtiges: Dass die deutsche Gesellschaft militarisiert wird etwa, oder dass Krankenhäuser, Sozialstaat, Infrastruktur und Bildung kaputtgespart werden, während die Bundeswehr immer weiter aufgerüstet wird. Auch dass nur Verhandlungen die Kriege in der Ukraine und im Nahen Osten beenden können, ist zweifellos richtig.
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Wie sehr der Aufruf allerdings auf Sahra Wagenknecht zugeschnitten ist, zeigt sich vor allem daran, was nicht drin steht: Wer die Ukraine angegriffen hat, etwa. Gewarnt wird lediglich vor einer „Eskalation“ durch die Erlaubnis der Bundesregierung, an die Ukraine gelieferte deutsche Waffen in Russland einzusetzen. Auch fehlt die Forderung, dass alle Kriegsdienstverweiger:innen und Deserteur:innen in Deutschland Asyl erhalten müssen. Der Verdacht liegt nahe, dass der dringend benötigte Friedensprotest so wagenknechtisiert wurde.
Mitmischen oder boykottieren?
Und die linke Szene? Die ist sich mal wieder nicht einig, was nun zu tun ist. Denn klar, niemand mag Sahra Wagenknecht. Doch schon seit längerem schwelt in der Szene ein Strategiestreit darüber, wie die radikale Linke mit Protestbewegungen umgehen sollte, die richtigen Impulsen folgen, aber teils reaktionäre Antworten geben. Zuletzt war die Frage während der Bauernproteste aufgeploppt: Gilt es, die rechten Tendenzen einer solchen Bewegung zu entlarven, klare Kante zu zeigen – oder ist es besser, sich einzumischen und im Inneren für linke Inhalte zu kämpfen?
Für letzteres haben sich die Organisationen wie Hände Weg vom Wedding, Rheinmetall Entwaffnen und die Interventionistische Linke entschieden. Unter dem Motto „Wir liefern den Frieden nicht den Rechten aus!“ rufen sie zur Demoteilnahme auf (Banner „Vereint für Frieden und gegen ihre Krise!“ am Moabiter Sternmarschstartpunkt, 12:30 Uhr). Um das Friedensthema links zu besetzen, gelte es, sich „immer wieder einzumischen, auf die Straße zu gehen, in der Gesellschaft ansprech- und wahrnehmbar, kurzum: populär zu sein“.
Ziel sei es, „einen klassenkämpferischen und antimilitaristischen Ausdruck auf einer großen Friedensdemonstration“ zu schaffen. Der Tenor: Dafür darf eine radikale Linke nicht alle regierungskritischen Protestbewegungen staatstragend wegkritisieren, sondern muss in ihnen progressive Inhalte voranbringen. Entsprechend soll sich auf der Demo dem „Chauvinismus gegen Geflüchtete und Arme“ von Teilen des BSW entgegengestellt werden, so der Aufruf.
Leichensäcke vor der Botschaft
Auf der anderen Seite stehen einige Gruppen, die sich der Friedensdemo explizit entgegenstellen wollen. „Es zerreißt einem das Herz, gegen die eigenen Genossis demonstrieren zu müssen“, schreibt etwa die Antiverschwurbelte Aktion. Rechte und verschwörungsideologische Gruppen wären längst in der Friedensbewegung involviert. Dass trotz der zu erwartenden Beteiligung rechter Kräfte zur Demo aufgerufen wird, sei ein „verzweifelter Versuch“, sich an rechte Mobilisierungserfolge anzuhängen. Die Gruppe appelliert „in Zeiten des rasanten Rechtsrucks“ dazu, „die Reihen geschlossen zu halten“.
Die Antiverschwurbelte Aktion wird deshalb in Dinosaurierkostümen entlang der Demoroute Gegenproteste veranstalten. Der erste Treffpunkt dafür ist um 11:30 Uhr am Zoopalast am Breitscheidplatz. Ab 15 Uhr gibt es einen Gegenprotest am Großen Stern an der Altonaer Straße. Dort, am Großen Stern, wird auch die ukrainesolidarische Organisation Vitsche Berlin demonstrieren (14:30 Uhr). Das Motto hier: „Euer Frieden ist unser Todesurteil“.
Ebenfalls eine klare Kritik an der Friedensdemo formuliert hatte der Berliner und Brandenburger Verband der Deutschen Friedensgesellschaft DFG-VK. Gemeinsam mit Gruppen wie der Antimilitaristischen Aktion Berlin rufen sie zu Gegenprotest und Aktionen rund um die Russische Botschaft (Unter den Linden 63) – und überall in Berlin – auf. Verteilt werden sollen selbstgebastelte Leichensäcke mit der Markierung „Z-200“ – dem russischen Frachtcode für Leichenteile. Vor der Russischen Botschaft ist zudem eine Kunstaktion geplant.
Die Omas gegen rechts rufen derweil dazu auf, den Tag lieber mit dem Bündnis für ein weltoffenes Berlin zu verbringen. Das ruft am Tag der Deutschen Einheit nämlich dazu auf, für Solidarität und gegen Rechtsextremismus auf die Straße zu gehen. Zum Bündnis gehört eine Vielzahl an Gewerkschaften, sozialer Initiativen und Kirchen. Der Protest beginnt um 14 Uhr im Lustgarten (Unter den Linden).
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