Bewährung für ehemaligen Neonazi: Einfach nur zugeschlagen
Ein Ex-Rechtsradikaler erhält nach einer begangenen Körperverletzung in Erfurt eine milde Strafe. Das Gericht sieht kein politisches Motiv.
Bis dahin sieht alles nach dem Schema Alkohol, Provokation, Schläge aus. Doch dann brüllt einer „Sieg Heil“ und zeigt den Hitlergruß. Er trägt ein T-Shirt mit dem Konterfei des SA-Mannes Horst Wessel. Als eine Besucherin „Verschwindet ihr Nazischweine!“ ruft, verprügeln sie zwei Männer und schlagen ihren Kopf auf die Motorhaube eines Autos. Auch eine Polizistin verletzen sie schwer.
Trotz allem sah das Landgericht Erfurt am Donnerstag in der zweiten Instanz keine rechtsradikale Motivation und verurteilte den Hauptangeklagten P. zu zwei Jahren Bewährung. Die Nazi-Parolen waren dem heute 25-Jährigen nicht zuzuordnen, dafür viele der Schläge. Deshalb hatte ihn das Amtsgericht Erfurt im Oktober 2014 zu zwei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Doch er ging in Berufung und bleibt nun auf freiem Fuß.
Die Pressesprecherin des Landgerichts Ellen Böhm räumt zwar ein: „Ja, er hat sich damals im rechten Umfeld aufgehalten.“ Lapidar fasst sie jedoch zusammen: „Sie waren blau, es kam zu Stunk. So, wie es jedem anderen 21-Jährigen auch passieren könnte.“ Außerdem habe er bereits 1.000 Euro, den größten Teil des damals vom Amtsgericht für drei Täter verhängten Schmerzensgelds, gezahlt und sich „glaubhaft bei den Opfern entschuldigt“. Das sehen nicht alle so. Die schwerverletzte Polizistin hat die Entschuldigung nicht angenommen.
Unpolitischer Mitläufer?
Seit der Entscheidung in der ersten Instanz vor dreieinhalb Jahren war P. nicht weiter auffällig. Deshalb verurteilte das Landgericht ihn nur wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte sowie versuchter und gefährlicher Körperverletzung. Die Kosten des Berufungsverfahrens muss er nur zum Teil zahlen, jedoch 200 gemeinnützige Stunden in einer Flüchtlingsunterkunft ableisten. In die Gesamtstrafe floss auch eine knapp fünf Jahre alte schwere Körperverletzung ein. Ebenfalls ohne rechten Hintergrund, wie die Pressesprecherin hervorhob. Ein unpolitischer Mitläufer, den Alkohol und Provokation zuschlagen ließen?
Das Gericht sah allein die pure Gewaltbereitschaft und verstieg sich sogar in den Vergleich: „Wenn Ali Baba und die 40 Räuber gekommen wären, hätte sich der Angeklagte auch ihnen angeschlossen.“ So hat es Galerist Teschner in der Verhandlung gehört.
„Für uns ist das nicht nachvollziehbar. Da ist der Gesamtzusammenhang verlorengegangen“, sagte die Leiterin des Kunsthauses Monique Förster der taz. Empörung löste 2012 nicht nur die Gewalttat, sondern auch die Polizeimeldung kurz danach aus. Lediglich von einer Rauferei war die Rede. Kein Wort über einen rechtsradikalen Zusammenhang. Erst später korrigierte die Polizei, zwei der Angreifer seien als „rechts motivierte Straftäter bekannt“.
Dass P. durchaus im rechten Sumpf saß, leugnet auch das Gericht nicht. Mittlerweile habe er sich jedoch davon gelöst, beteilige sich am Aussteigerprogramm EXIT. Die Tat habe ihm damals die Augen geöffnet, erklärte der Verurteilte vor Gericht. Unglaubwürdig scheint Galerist Dirk Teschner das: „Den ersten Termin bei EXIT hat er gemacht, nachdem der Termin für die Gerichtsverhandlung feststand.“ Das war Ende Dezember 2015, dreieinhalb Jahre nach der Tat.
Bereits im Sommer 2012 hat die Stadt Erfurt auf die Vorfälle reagiert. Mit Symbolcharakter: Die thüringische Landeshauptstadt beschloss, einschlägig bekannten Rechtsextremen den Zugang zu städtischen Museen, Kultureinrichtungen und Kulturveranstaltungen zu verwehren. P. wird auch weiter hingehen dürfen.
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