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Betrug beim Schach-Open in FrankreichBeschiss auf der Toilette

Der Schach-Großmeister Igor Rausis ist beim Betrug mit dem Handy auf dem Klo erwischt worden. Ein Tatort, der eine gewisse Tradition hat.

Schachmatt: Igor Rausis hat sein letztes Spiel gespielt Foto: dpa

Der graumelierte Mann sitzt gebückt auf dem Deckel der geschlossenen Toilette. Er drückt – auf sein Smartphone, in das er mit dem Zeigefinger Züge in das Schachprogramm tippt und auf die Vorschläge des Elektronenhirns wartet. Das im Internet kursierende Foto zeigt den letzten Beschiss auf dem Klo von Großmeister Igor Rausis. Der Schach-Weltverband Fide hatte seine Ermittler von der Fairplay-Kommission nach Straßburg entsandt, wo ihn Yuri Garrett und Schiedsrichter Laurent Freyd in flagranti auf dem Klo ertappten. Dabei hätte der topgesetzte Rausis vermutlich die gelegentlichen Tipps vom Handy gar nicht gebraucht, um das schwach besetzte Open in Frankreich samt 1.000 Euro Preisgeld zu gewinnen.

Doch der lange als intelligenter, freundlicher Großmeister geschätzte Rausis konnte wohl nicht mehr anders – oder wähnte sich zu sicher bei kleinen Turnieren. Ansonsten hätte er die Warnsignale vernommen. Der inzwischen unter tschechischer Flagge spielende Weltenbummler war bereits Gegenstand zahlreicher Diskussionen. Der 58-Jährige geriet in den Fokus, weil er im Seniorenalter plötzlich einen zweiten Frühling erlebte. Seine Leistungsexplosion in den letzten fünf Jahren verblüffte die Fachwelt, nachdem Rausis zuvor wie die meisten Schachspieler ab 40 abgebaut hatte.

Mit einer Ratingzahl von deutlich unter 2.500 Elo – die Zahl beschreibt die Spielstärke von Spielern – zählte er nicht einmal mehr zu den Top 1.000. In Straßburg war der „Wunder-Senior“ drauf und dran, in die Top 40 und den elitären Zirkel der Asse mit mehr als 2.700 Elo vorzustoßen. Deshalb hatte sogar Fide-Generaldirektor Emil Sutovsky als renommierter Großmeister offen von Betrug gesprochen.

Seine Verteidiger in der Schach-Szene hielten Rausis für clever, weil er nur eine Lücke im Rating-Wertungssystem ausnutze. Trifft ein Profi auf einen weit schlechter eingestuften Spieler, so kann der Übermächtige im Falle seines Sieges zumindest ein Elo-Pünktchen erobern. Mühsam wie ein Eichhörnchen sammelte der einstige Lette diese: Seine letzten acht kleinen Turniere dominierte er durchweg. Von 50 Partien gewann er 49 und remisierte lediglich eine Partie! Zwei, drei Fingerzeige in komplizierten Stellungen von seinem Handy-Programm wirkten dabei offensichtlich Wunder. Beim Straßburger Sommerfestival endete indes der steile Aufstieg in den Schach-Olymp auf dem Klo.

Nicht das erste elektronische Doping

Ein Foto zeigt den ertappten Sünder. Als es Rausis vorgelegt bekam, räumte er ein, dass „ich das Smartphone während der Partie benutzte. Was soll ich sonst dazu sagen?“ Er entschuldigte sich für sein Verhalten („Ich habe meinen Kopf verloren“) und erklärte: „Ich habe meine letzte Partie gespielt.“ Jobs wie die als Nationaltrainer von Bangladesch muss der 58-Jährige künftig abschreiben.

Toilettenbetrügereien haben lange Tradition im Schach: Der erste spektakuläre Fall Ende der 90er Jahre in Böblingen erforderte noch einige kriminelle Energie. Der Amateur Clemens Allwermann hatte in seinem Jackett ein Gerät versteckt, in das er mittels eines vierstelligen Codes die Züge an einen Komplizen im Hotelzimmer übertrug, der mit dem Programm „Fritz“ auf dem Computer die jeweils beste Spielfortsetzung ermittelte. Allwermann bekam diese über einen unter seinem langen Haar versteckten Kopfhörer souffliert. Ihm wäre wohl keiner auf die Schliche gekommen, hätte er im Moment des Triumphs Sergei Kalinitschew nicht „ein Matt in acht Zügen“ angekündigt. Der verhöhnte Großmeister grinste, weil kein Mensch das Matt exakt voraussagen konnte – woraufhin Allwermann ihm entgegenschleuderte: „Lachen Sie nicht, prüfen Sie es nach!“ Das tat ein Journalist und ermittelte, welches Equipment zum Einsatz kam.

Heutzutage ist der Betrug mit den kleinen Handys viel leichter. Wer sein Smartphone mitführt und es nur einmal klingeln lässt, hat seine Partie sofort verloren. Der Tatort verlagert sich deshalb auf die Toilette. Allerdings hält das stille Örtchen auch nicht immer, was es verspricht – schon mehrere gute Spieler wurden hinter der WC-Tür ertappt, als sie nach dem entscheidenden Programm-Tipp und Ruhm lechzten.

„Heute ist ein großer Tag fürs Schach“, frohlockte Sutovsky nach dem enttarnten Betrug. Der Fide-Generaldirektor aus Israel dankte den Ermittlern und kündigte an: „Der Fall Rausis ist erst der Anfang!“ Die Fide habe ihre Maßnahmen verschärft, um die elektronische Doping-Seuche auszumerzen. Sutovsky weiß aber auch, dass der „Kampf gegen den Betrug noch Jahre dauern wird“.

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9 Kommentare

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  • Tja - der Sturz & das Rad dreht sich weiter. Liggers - “Tjä - Wat de Lüü' all maakt - sä de Buur - as hei‘n Aapen säh!“ Njorp.

    Analoge Fälle sind doch viel lustiger:



    Uns Ol *03 - hatte einen ausgewachsenen Olympiasieger am Reck an seiner(unsrer) Penne als Kustos - vulgo Hausmeister.

    kurz - Nach dem Griechisch-Abi waren die Klatschen nicht mehr hinterm Spülkasten. Ratlosigkeit - Bangigkeit - Zähneklappern - Selbstmordgedanken - Flucht nach Amerika - machten sich unter den Schülermützen breit.



    Als die Tür aufging & die Zigarre knurrte - “Haben die Herren wieder ihr Zeugs rumliegen lassen!“ & ne Kiste Zigarren fällig war. So geht’s doch auch



    &



    DDR-Abi 50er - auch fein - auf über-Eck aber noch analog-Niveau - ging aber auch schief.



    Deter - mein großer Freund (nur 1x Strom in die Weiche Normalspur II ;)( - das Mathe-Ass - rechnete die abgeseilten Mathe-Teile zwar zügig aus - jedoch beim Lift-up klapperte ein Fenster & Abi erst next year!



    &



    (“Na - da hättste dir von deiner Mutter ooch mal'n sauberen Rotzlappen geben lassen können!“ - ist ne andere Geschichte Bruderherz mit ~ Knie-OP ohne Narkose auf gestrichen blutvollem persischem Rauchtisch.



    Ja. Tolle Nachbarn & “Na dann kommse mal rüber in meim Puff!“ 😈 )

  • Wo Tricks möglich sind, ist der Betrug nicht mehr weit. Erst letzte Woche habe ich in einer Arte-Doku über den Fahrradrennsport mitbekommen, was alles möglich ist, mit Minielektromotoren die Leistungen der Rennfahrer zu steigern.

  • Es war schon komisch, wie der Schaverband FIDE versuchte, sehr strenge Dopingkontrollen wie in anderen Sportarten umzusetzen und viel Geld dafür ausgab, dabei aber den elektronischen Betrug außer Acht ließ. Leistungssteigerungen mit chemischen Mitteln sind kaum zu erzielen, während fast jeder ein Handy besitzt, das jeden Großmeister und jede Großmeisterin besiegen könnte.

    Es freut mich, dass Sutovsky die Sache ernst nimmt und endlich auch in kleineren Turnieren dagegen vorgeht.

    • @Links van der Linke:

      "Leistungssteigerungen mit chemischen Mitteln sind kaum zu erzielen" - Leider doch: Ritalin soll dazu ein beliebtes Mittel sein.

      • @JLloyd:

        Beliebt mag Ritalin zur Leistungssteigerung z. B. bei Prüfungen sein, ob man aber damit besser Schach spielt, ist eine andere Frage. Betrugsvorwürfe wegen Computerhilfe werden im Schach hin und wieder erhoben, und dann oft auch mit Recht, aber von einem Vorwurf, ein Spieler hätte gedopt, habe ich noch nie gehört oder gelesen.

        Das Perverse an den Dopingregularien beim Schach - die nur deshalb eingeführt wurden, weil die Schachfunktionäre das Spiel unbedingt als "Sport" anerkannt haben wollen und mal davon träumten, dass Schach olympisch werde - ist, dass beim Schach alle Mittel als Doping gelten, die auch im Sport als Doping gelten, z. B. Insulin, das auf der Dopingliste steht, weil es auch zur Förderung des Muskelwachstums eingesetzt werden kann. Es gibt keine schachspezifische Dopingliste.

        Bei ihrer Einführung wurden die Dopingregeln vom Deutschen Schachbund als Beitrag zum Fair Play verkauft. Zugleich wurde - obwohl die Anti-Doping-Regeln auf dem Papier für alle Spieler gelten - zur Beruhigung verkündet, dass es Dopingkontrollen nur bei Deutschen Meisterschaften und für Kaderspieler geben solle, so dass die allermeisten Spieler gar nicht betroffen seien. Das wurde auch so umgesetzt, zeigt aber zugleich, dass es gar nicht um Fair Play geht, denn wieso sollte es bei der Masse der Spieler kein Fair Play geben?

        • @Budzylein:

          Na Servus

          Das im Intellelie-öh-Sport les ich ja mit Vergnügen - weil's so prima zur ebenso verlogenen Entstehung/Geschichte des -



          Huch-Nein - Fair-Play paßt!



          Das diente nämlich ausschließlich dazu - die Snobby-Upper-Class vor der Konkurrenz der Arbeiterklasse zu schützen.



          So durften z.B. im Rudern keiner starten - weil ja des-also-von-berufswg bevorteilt - der mit seiner Hände Arbeit sein Geld verdiente.



          Prominentestes Opfer John B. Kelly - der Vater von Grace Kelly - späterhin Schwiegermutter des Prügel&Piss-Prinz - dem als schnellster Skuller seiner Zeit die Teilnahme an der Henley-Regatta um die Diamond-Skulls mit eben der Begründung er sei Maurer* verweigert wurde.



          & feine abgewichste Stilblüten triebs:



          Uns Ol - erzählte von einem Ruderer - der als Selbständiger firmierte!



          & bei 1000 m immer laut anfeuernd gebellt wurde - klar Hundefänger! 👹

          unterm——*



          de.wikipedia.org/w...hn_B._Kelly_senior



          Er sorgte als int. Verbandsfunktionär später dafür - daß eben der englische Funktionär - der das s.o. ausgebuddelt hatte - seinem Junior - Winner-Henley - die Diamond-Skulls überreichen mußte. Rache ist süß. Gellewelle.

          • @Lowandorder:

            Danke für die Erläuterung. Ich muss gestehen, dass mir die Geschichte des "Fair Play" bisher nicht bekannt war. Heute hat der Begriff ja auch eine ganz andere Bedeutung. Und bei Schachturnieren interessiert es keine Sau, woher man kommt und was man arbeitet. Wenn etwas "inklusiv" ist, egal ob in Bezug auf Sozialstatus, Alter, Geschlecht, Herkunft oder Behinderung, dann sind es die Schach-Open, die hierzulande in großer Zahl stattfinden. Das war aber nicht immer so. Bis 1933 gab es neben den "bürgerlichen" Schachvereinen auch Arbeiterschachvereine, die dann von den Nazis als Teil der Arbeiterbewegung verboten wurden. Nach dem Krieg war mit dieser Klassentrennung Schluss.

            • @Budzylein:

              Na ok.

              Dann noch etwas Wasser in ihren Wein



              “Nach dem Krieg war mit dieser Klassentrennung Schluss.“

              Sorry - that‘s a lie - too.



              Die bürgerliche Sportbewegung - Altnazi Carl Diem vorweg! - hat - ähnlich der verlogenen Schote “Sozialpartnerschaft“ - die Überlebenden der Arbeitersportbewegung mittels der Trennung - Fachverbände - Landessportbünde - tuto kompletto über den Tisch gezogen •

              (Hatte das durchaus zweifelhafte Vergnügen als sidekick die NOK-Gründungsakte via Kopierer quer mitzulesen. Das nackte Grauen der Diffamierung. Unsäglich.)

              Fachverbände hatten/haben allein das internationale Startrecht! Get it? Fein.



              Ausnahme - nach langem Kampf - & immer angefeindet -



              Rad- und Kraftfahrerbund Solidarität



              Radfahrerbund -



              de.wikipedia.org/w...d_Solidarit%C3%A4t

              kurz - Alle Spuren der weit mitgliederstärkeren Arbeitersportbewegung wurden systematisch getilgt “Eiche Weslohe“ hieß plötzlich SV Weslohe 09“ usw usf



              Flächendeckend & notfalls - Anwalt



              (Namen laß ich mal weg!)



              Aber! ETUF Essen - Bis heute klar -



              Die Drei Kruppringe! (nur z.B!) 👹



              images.app.goo.gl/FrbeaB4x8r8tGgx99



              & Däh!



              images.app.goo.gl/SxPTrhDRLFsdQ84m6

              Noch Fragen? Gern&Dannichfür 😎

              & nochens - ♟- mal andersgewendet -



              Löst mir als plattdütsch mächtigen 👺



              Heiterkeit aus. “Schach“ - ist ein mehr oder weniger dicke Gerte - gern auch der Rohrstock (Wilhelm Busch Kenner werden nicken 😈) & so steht denn -



              “Dat gev achteran eulich Schach!“



              Haue - Senge - Kloppe - wenn Jungs was pexiert hatten! Bei ollen Busch -



              “Macht fünfundzwanzig nach altem Brauch



              Und richtig geraten - so kam es auch!“ *



              Aus: Die Partikularisten by W.B.

              *Ganz unverbindlich als afterDoping😈

              …servíce & Soweit mal.

              • @Lowandorder:

                &! Mal das ganze spießbürgerliche Desaster in Zahlen.

                Der DSB - der ungeliebte Dachverband -



                Erreichte mit Mühe erst Anfang/Mitte der 70er bundesweit die Mitgliederzahlen.



                Die die Arbeitersportbewegung - allein - bis zur Zerschlagung durch die Nazis hatte.



                ——



                Von paralleler Auspowerung der - egalitären - in allen großen Städten zuvor gut am Ball - Kommunalen Sportbewegung usw usf.



                &



                Der kaltschnäuzigen Selbstbedienung via vorrangigem LeistungssportHypen durch voran die Fachverbände - mit Politikasterechowand - the whole shit!



                Mutti & Co Ein andermal Wollnichwoll!



                Mal jetzt - Verunsicherung genug! 👹