Magnus Carlsen siegt bei Schach-WM: Erfolgsstratege auf vielen Gebieten
Magnus Carlsen gelingt der Doppelsieg bei Schnell- und Blitzschach-WM in Moskau. Außerdem besticht er nebenbei als virtueller Fußballmanager.
Magnus Carlsen gewinnt und gewinnt. Das war auch vor dem Jahreswechsel in Moskau nicht anders. Der Norweger eroberte beide WM-Kronen im Schnell- und Blitzschach. Nach zehn Jahren an der Spitze der Schach-Weltrangliste durfte der 29-Jährige an Silvester aber auf ein selbst für ihn ungewöhnliches Novum anstoßen. Kurz vor Heiligabend hat der Fußballverrückte die Führung in der „Fantasy Premier League“ (FPL) übernommen.
Bei diesem weltweit größten interaktiven Managerspiel, das dem des „Kicker“ um die Bundesliga ähnelt, stellt jeder ein virtuelles Team aus dem englischen Oberhaus zusammen. Mit strategischen Zügen und personellen Rochaden können die 7,2 Millionen Teilnehmer anhand der realen Ergebnisse von Manchester United, City&Co. Punkte sammeln. Anfang Dezember schob sich sein Team namens „Kjell Ankedal“ auf Rang 6 und dann Platz 4, bevor der Satz an die Spitze vorbei an dem Liverpooler Ex-Profi Nick Tanner gelang!
Lobpreisungen dafür will Carlsen aber nicht. Letztlich, sagte er, verdanke er das dem Glück. Laut der englischen Tageszeitung The Guardian sieht das Tarjei Svensen anders: „Planung und Strategievermögen“ seien gefordert, meint der norwegische Journalist. Bei Carlsen paare sich überdies ein „unglaubliches Gedächtnis“ mit „herausragenden Fußballkenntnissen“. Hinzu kommt: „Magnus macht so etwas nie nur aus Spaß. Er will bei allem gewinnen“, erklärte sein Manager Espen Agdestein und ergänzte: „Magnus ist extrem ehrgeizig!“
Das bekamen auch seine Kontrahenten in Moskau zu spüren. „Auf 15 Partien ohne Niederlage bin ich stolz“, verkündete der 29-Jährige nach dem Sieg im Schnellschach mit 11,5 Punkten. Sein schärfster Verfolger, Hikaru Nakamura, versuchte erst gar nicht lange im Kampf um 60.000 Dollar Siegprämie, den Zähler Rückstand zu egalisieren und einen Tiebreak zu erzwingen.
Kritik für die Konkurrenz
Der sonst so großmäulige US-Amerikaner sicherte lieber mit einem raschen Remis-Angebot in der letzten Runde den dritten Platz ab. Entsprechend tadelte Carlsen seine Herausforderer: „Meinen Gegnern fehlt der Biss! Um so ein Turnier zu gewinnen, muss man sich im Angriffsmodus befinden und darf keine Kurzremis schieben!“ Dass er ein geringeres Risiko als seine Gegner eingehen müsse, sei jedoch auch „die brutale Wahrheit. Es hilft, dass ich weiß, dass ich besser bin als die anderen!“
Im Blitzschach mit drei Minuten Grundbedenkzeit musste Carlsen zwar nach 21 Runden ins Stechen. In diesem hielt der 29-Jährige aber Nakamura (beide 16,5) nach einem Remis in der zweiten Partie nieder. Der zurückgetretene russische Ex-Weltmeister Wladimir Kramnik (15) nahm aus Spaß teil und bewies als Dritter seine alte Klasse.
Zum zweiten Mal nach 2014 hat Carlsen alle drei relevanten Schachtitel, unabhängig von der Bedenkzeit, gewonnen. Zehn Turniere gewann das Superhirn und blieb 2019 in 107 klassischen Turnierpartien in Folge ungeschlagen.
Im über 200-köpfigen WM-Feld in Moskau sorgte Alireza Firouzja dreifach für Aufsehen. Der 16-Jährige ignorierte den WM-Boykott seines Heimatlandes. Der Iran wollte damit Duelle mit dem Erzfeind Israel verhindern. Nachdem Firouzja beim Turnier in Karlsruhe 2018 eine kampflose Niederlage gegen den Israeli Or Bronstein alle Siegchancen gekostet hatte, trat der Großmeister nun unter der Flagge des Weltverbandes an.
Im Schnellschach wurde das Supertalent Vizeweltmeister mit 10,5 Punkten – und hatte Magnus Carlsen im Blitzturnier sogar am Wickel. Der Weltmeister befand sich mit drei Bauern weniger in argen Nöten – bis Firouzja seinen König umstieß und die Zeit überschritt. Firouzja belegte am Ende im Blitz mit 13,5:7,5 Punkten Rang sechs. Das Wunderkind, das sich zuletzt in Frankreich aufhielt, soll einen baldigen Wechsel der Föderation in Betracht ziehen. Viele trauen ihm den Sprung nach ganz oben zu.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt