Betrug bei wissenschaftlichen Artikeln: Gefälschte Experten
Wissenschaftler tricksten wiederholt das Peer-Review-System von Fachmagazinen aus. Ein Biologe schrieb sich die Reviews sogar selbst.
Insgesamt elf Artikel in Fachzeitschriften des Elsevier-Verlages wurden kürzlich zurückgezogen. Der Grund: Die Reviews, die bei solchen Fachartikeln üblich sind, waren offenbar gefälscht und stammten nicht von denen, mit deren Namen sie unterzeichnet waren. Darüber berichtete kürzlich das Blog Retractionwatch. Es ist innerhalb kurzer Zeit der zweite derartige Vorfall bei Elsevier, dem weltgrößten Wissenschaftsfachverlag.
Artikel in wissenschaftlichen Zeitschriften werden üblicherweise einem sogenannten Peer-Review unterzogen. Wissenschaftler aus demselben Fachbereich, die an der Forschungsarbeit nicht selbst beteiligt sind, begutachten dabei die Artikel ihrer Kollegen vor der Veröffentlichung. Das Peer-Review-System gilt als wichtiges Instrument, um zu verhindern, dass mangelhafte Forschungsarbeiten in Fachzeitschriften publiziert werden.
Große Verlage wie Elsevier verwenden hierbei inzwischen halbautomatisierte Systeme. Potenzielle Reviewer können sich online beim Verlag anmelden. Offenbar gelang es in diesem Fall Unbekannten, sich die Zugangsdaten von legitimen Reviewern zu verschaffen und die gefälschten Berichte einzureichen.
Sonderlich schwer hatten es die Angreifer nicht: Das Review-System von Elsevier arbeitete mit unverschlüsselten Logins. Die bei Internetangeboten heute oft übliche SSL-Verschlüsselungstechnik (zu erkennen am https:// in der Webadresse) kam dabei standardmäßig nicht zum Einsatz.
Motive der Fälschungen unklar
Die meisten der zurückgezogenen Arbeiten betrafen das Magazin Optics & Laser Technology. Unklar sind dabei die Motive der Fälschungen. Elsevier erklärte, man sehe keine Verbindung zwischen den Artikelautoren und den gefälschten Reviews. Die Autoren sollen daher die Chance erhalten, ihre Arbeiten erneut einzureichen, erklärte der Herausgeber von Optics & Laser Technologie, Andrea Cusano.
Es ist nicht der erste Fall, in dem das Review-System von Elsevier in Verruf gerät. Im August berichtete Retractionwatch darüber, dass der koreanische Biologe Hyung-In Moon sich seine Reviews selbst schrieb. Er reichte Texte bei Fachjournalen ein und machte gleichzeitig Vorschläge, welche Fachkollegen für ein Review in Frage kämen. Gleichzeitig erstellte er sich Accounts im Review-System von Elsevier unter den Namen der – real existierenden – Kollegen mit gefälschten E-Mail-Adressen.
Eine Weile war Moon mit dieser Strategie erfolgreich, doch letztendlich wurden die Herausgeber skeptisch, dass die Reviews immer ungewöhnlich schnell eintrafen, meist bereits nach einem knappen Tag. Auf Nachfrage gab Moon anschließend zu, die Reviews selbst geschrieben zu haben.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Keith Kelloggs Wege aus dem Krieg
Immer für eine Überraschung gut
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Greenpeace-Mitarbeiter über Aufrüstung
„Das 2-Prozent-Ziel ist willkürlich gesetzt“
Antisemitismus in Berlin
Höchststand gemessen
Rauchverbot in der Europäischen Union
Die EU qualmt weiter