Betriebssystem aus Nordkorea: Kims Windows
"Red Star" heißt das erste Betriebssystem, das die abgeschottete Diktatur Nordkorea hervorgebracht hat. Wie es aussieht, verriet nun erstmals ein russischer Blogger.
Ja, es soll Internet geben in Nordkorea. Allerdings nur in Bibliotheken, Hochschulen und sehr, sehr wenigen Privathaushalten - zensiert bis es kaum noch geht. Bislang nahmen Beobachter dabei an, dass in der letzten verbliebenen stalinistischen Diktatur dieses Planeten schlicht ein ganz normales Windows auf den seltenen PCs läuft - importiert aus China vermutlich, eventuell in Form von Raubkopien. IT-Experten aus Kim Jong-ils Reich waren derweil unbekannt, Nordkoreas Nerds eine scheinbar nicht vorhandene Spezies.
Doch das scheint nicht ganz zu stimmen. "Mikhail", ein Blogger aus Russland, der laut eigenen Angaben in Pjöngjang studiert, legte nun erstmals offen, dass die Nordkoreaner ein eigenes Computerbetriebssystem entwickelt haben. Es hört auf den Namen "Red Star" (Roter Stern) und wird auf den Straßen der Hauptstadt für rund fünf Dollar vertrieben. Die Software, deren Versionsnummer offenbar aktuell "2.0" lautet, basiert auf Linux und wirkt optisch eher altbacken. Die Anforderungen an den PC des Nutzers sind, es war zu erwarten, eher gering: Ein Pentium III mit nur 800 MHz, 256 Megabyte RAM und einer Festplatte mit 3 Gigabyte reicht aus.
Vom Funktionsumfang her packen Kim Jong-ils Programmierer einiges in den roten Stern: Eine Firefox-Version mit der Seite der nordkoreanischen Regierung als Homepage, eine E-Mail-Software, ein Open Office-Büropaket sowie Lese- und Abspielprogramme für PDF-Dateien, Videos und Musik sind integriert. Sogar an einen Taschenrechner und ein paar Spiele ("Minesweeper") wurde gedacht. Und das Wichtigste: Das System ist komplett in Koreanisch lokalisiert und enthält diverse Propagandasprüche.
Allerdings scheint Red Star 2.0 eine Art vergifteter Apfel zu sein: Wie das südkoreanische Institut für Forschungs- und Technologiepolitik laut der britischen "BBC" ermittelt hat, scheint die Software auch über Filter und andere Kontrollmechanismen zu verfügen, die die Tätigkeiten des Nutzers überwachen.
Ganz legal ist Red Star trotz Open-Source-Software übrigens auch nicht: Für Programme wie Webbrowser oder andere "High-Tech"-Ware gilt seit langem ein Exportverbot der USA in Richtung Nordkorea und anderer "Schurkenstaaten". Eine Strategie, die die Obama-Administration allerdings gerade überdenkt.
Dass Staaten versuchen, eigene Betriebssysteme für ihre PC-Population zu etablieren, ist nicht unbedingt neu. Zu den Gründen gehört neben dem Streben nach Technologieautarkie vor allem die Furcht vor der Marktmacht der US-Firma Microsoft. In China sollte aus "Red Flag Linux", dessen Oberfläche auf den ersten Blick verdächtig nach Windows XP aussieht, die Software der Massen werden - und den örtlichen Hardware-Herstellern, die PCs mittlerweile in gigantischer Stückzahl ausspucken, jede Menge Geld sparen. Denn: Eine teure Lizenz für das Microsoft-Produkt wäre ja dann nicht mehr nötig, die besonders bei billigen Rechnern einen nicht zu unterschätzenden Anteil ausmacht.
Das seit 2005 laufende "Red Flag"-Projekt, das unter anderem indirekt vom Pekinger Ministerium für die Informationsindustrie finanziert worden sein soll, hatte diese Rechnung allerdings ohne die chinesischen User gemacht: Die kauften sich zwar gerne Computer mit der roten Fahne oder anderen Linux-Versionen, spielten dann aber doch lieber ein geklautes Windows auf, sobald sie wieder zuhause waren. Das ging soweit, dass die örtlichen Behörden in einer Millionenstadt im Südosten die Betreiber von Internet-Cafes dazu auffordern mussten, entweder Red Flag Linux zu installieren oder ihren Laden zu schließen. Teure Alternative: Echte Windows-Lizenzen.
Auch Russland bastelte unlängst an einem "nationalen Betriebssystem" - ebenfalls basierend auf der freien Software Linux. Das "Russian Operating System", kurz ROS, wird unter anderem bei staatlichen Stellen eingesetzt, nachdem die Akademie für Informationstechnologien eine Distribution festgeklopft hatte. Die Durchsetzung beim Endanwender hält sich hier aber ebenfalls in Grenzen. Das ist eigentlich schade: Mittlerweile liefern Linux-Derivate wie Ubuntu fast alles, was ein normaler Anwender im PC-Alltag braucht.
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