Betreuung in der Schule: Essen auf Fluren
Die Situation in Ganztagsschulen zeigt deutliche Defizite: zu wenig Kantinen, Personal und Geld. Die Behörde hofft, dass nun „alle an einem Strang ziehen“.
„Es mehren sich die Hinweise, dass an einigen Schulen katastrophale Zustände bei der Nachmittagsbetreuung herrschen“, heißt es in einer kleinen Anfrage der CDU an den Senat. Die Antwort des Senats liegt nun vor und sie ist ungemütlich. In 27 Hamburger Grundschulen mit Ganztagsbetreuung muss derzeit noch in Pausenhallen, auf Fluren oder in Klassenräumen gegessen werden.
Eigentlich waren 70 neue Kantinen geplant an Grundschulen, die seit dem 1. August eine Ganztagsbetreuung anbieten. Eineinhalb Monate nach Schulbeginn sind erst 43 dieser 70 Kantinen fertiggestellt.
Die Anfrage offenbare weitere „chaotische Zustände“ der ganztägigen Betreuung an Schulen (GBS), sagt Karin Prien, schulpolitische Sprecherin der CDU. Neben dem Essen auf Fluren müsse sich dieses vielerorts auch noch in 20 Minuten Pausenzeit erledigt haben, heißt es in der Pressemitteilung der CDU. Des Weiteren sei seit der Einführung der GBS kein Geld mehr für die kostenlose Versorgung mit Obst, Gemüse und Mineralwasser vorhanden.
Ebenfalls würden sich Eltern über den schlechten Betreuungsschlüssel beschweren, Kinder seien unbeaufsichtigt, BetreuerInnen kämen und gingen schnell, da es sich oft um Zeitarbeitskräfte handele.
Wie genau der Betreuungsschlüssel aussieht, kann die zuständige Behörde nicht beantworten. Auch sonst fällt die Stellungnahmen der Schulbehörde (BSB) dünn aus: „Wenn alle Beteiligten an einem Strang ziehen, werden nötige Provisorien schnell der Vergangenheit angehören und vor Ort Lösungen für Einzelprobleme gefunden“, sagt Peter Albrecht, Sprecher der BSB. Außerdem sei es den Eltern und Schulen von Anfang an klar gewesen, dass bei einem Ganztagesausbau von insgesamt 200 Schulen „nicht alles sofort reibungslos“ verlaufe, so Albrecht.
„Unter solchen Bedingungen hätte die GBS niemals eingeführt werden dürfen. Für viele Schulen wäre es besser gewesen, der Senat hätte zunächst die räumlichen und personellen Voraussetzungen geschaffen und die Einführung verschoben“, sagt indes CDU-Politikerin Prien. Und Jens Kastner, GEW-Fachgruppensprecher für Kinder und Jugendhilfe, fordert einen Ausbau der Vollzeitarbeit in der GBS. „Das System der GBS ist auf teilzeitbeschäftigte Erzieher ausgerichtet“, sagt Kastner. In Krippen beispielsweise gebe es mehr Vollzeitarbeit. Diese sei attraktiver für ErzieherInnen.
Eine Möglichkeit laut Kastner wäre ein Ausbau der Betreuungszeit in den Unterricht hinein. „Wenn dann noch die städtischen Refinanzierungssätze pro Kind um 100 Euro erhöht würden, dann könnte tariflich vernünftig gezahlt und zudem noch mehrere Nachmittagskurse mit Zweitstellen angeboten werden“, sagt Kastner. Über das fehlende ErzieherInnenangebot auf den Arbeitsmarkt sei er sich bewusst.
Stefanie von Berg, schulpolitische Sprecherin der Grünen, hält die Qualität der Nachmittagsbetreuung für „unterirdisch“. „Wir fordern vernünftige und vor allem kostenlose Angebote für jedes Kind“, sagt sie. Statt wie bisher vormittags Bildung und nachmittags „Aufbewahrung“ anzubieten, solle es abwechslungsreiche Bildungsangebote mit festen Bezugspersonen geben. Denn jedes Grundschulkind brauche „Vertrauen und eine Hand, die es greifen kann“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Anbrechender Wahlkampf
Eine Extraportion demokratischer Optimismus, bitte!