Besuch auf der Golfmesse: Schöner Living
Auf der Golfmesse in Düsseldorf werden Reisen, Immobilien und vieles mehr beworben. Der Sport selbst spielt eine erstaunlich nebensächliche Rolle.
G leich der erste Stand könnte Golffremde ein wenig irritieren. Am Eingang der alljährlichen Golfmesse im Düsseldorfer Flughafen wirbt ein niederländisches 5-Sterne-Luxusresort „an der Kuste von Zeeland“ um Besuch oder Villenkauf.
Irritieren nicht wegen der fehlenden Punkte auf dem u, die hätte man auch im Nachhinein einigermaßen elegant mit zwei kleinen Golfballlogos ergänzen können. Sondern weil alle Hinweise auf Golf fehlen. Dabei wäre ein Link auf den (vom Autor schon mehrfach gespielten) sehr angenehmen und gastfreundlichen Platz nebenan in Bruinisse naheliegend gewesen.
Aber um Golf geht es auf der Golfmesse vielfach nur am Rande. Bloß weg da von deinem Heimatplatz, scheinen die Aussteller einem zuzurufen. Der ist doch langweilig auf Dauer! Du musst woanders golfen, da ist es doch viel, viel schöner. Du musst wegfliegen wie die Jets da draußen vor den weiten Panoramafenstern.
Gleich hinter dem Kustenresort geht es virtuell weiter nach Italien, Iberien, Zypern, Marokko und noch weiter dank Veranstaltern wie Golfasien oder gleich Golftravel.world. Manchmal tatsächlich auf eine Golfanlage, aber auch zur „Kapitalanlage in Polen“. Von den gut 100 Ausstellern beschäftigen sich mehr als die Hälfte mit Nix-wie-weg und Immobilien-Shopping („Marbella For Sale“), dazu kommen fachfremde Anbieter wie die Firma 224gin, die in ihrem Wacholderschnaps die „floral-fruchtigen Bio-Botanicals“ betont.
Tauchen nach Golfbällen
Anglizismen und Sprachmix sind rundherum beliebt, etwa im Segment „Schöner Living“. Die Golfregion Allgäu preist den „Skilugschanzen-Shot“: Bei der Vierplätze-Tournee klopft man die Kugel in Oberstdorf vom Schanzentisch der Heini-Klopfer-Schanze in die weite Tiefe. Das Catering im Airhafen DUS verantwortete die Brot’s Manufaktur – mit Kalbsfrikadellen, „Kuchen von Omas Blech“ und mit „Handobst“.
Und da ist „der Lakeballtaucher“, wie er sich nennt. Der lebt von den Missgeschicken der GolferInnen, deren Bälle in den Platzteichen versunken sind. Ralf Oestmann aus Verden holt die Spielzeuge zurück. Bundesweit taucht er ab, schafft manchmal „5.000 Stück am Tag, manchmal auch aus einem Teich“. Vertragsgemäß bekommt er seinen Stückpreis, dann wird gereinigt und sortiert, und die Besten gehen für 1-2 Euro über die Proshop-Ladentisch, das ist der halbe Preis fabrikneuer Bälle. Sicherlich mehr als eine Millionen Stück, so Oestmann, habe er im Laufe seines Taucherlebens wiederbelebt.
Damit zu den beiden „Indoor Driving Bays“. Diese Schlagküsten sind netzebewachte Abschlagzonen, aufgebaut von großen Ausrüsterfirmen. Jeder Schuss wird digital analysiert mit gut zwei Dutzend Daten: Treffwinkel, Speed, gewollte und ungewollte Kurven, Weite natürlich. Expertenexpertise gibt es dazu: „Genau so die Drehung, und schon ist da weniger Slice, sehen Sie?“ Die besten Profis schaffen im Treffmoment einen Ballstart von über 300 Stundenkilometern, das übertrumpft die startenden Flieger draußen. Der Autor zeitlupete deutlich weniger, kaum überraschend.
Golfmode changiert traditionell zwischen bieder und hässlich, auch mit 50 oder 70 Prozent Messerabatt. Ausnahme: das junge Start-up Paxariño (Vögelchen) aus Hildesheim. Die machen Hemden aus Bäumen, genauer: Shirts aus Buchenholzfasern, ohne das golfhemdübliche Polyestergift, fairtrade-gefertigt in Portugal, und sie lobpreisen ihre atmungsaktiven Ökoprodukte: „From Nature to You“. Die schicken, bunten Teile kosten allerdings 120 Euro, kein Messerabatt.
Um als Messebesucher weggeschickt zu werden zum Golfen ins Woandersland, muss man sie vorher anlocken. Die Messe sei, so die Veranstalter, nur 100 Kilometer entfernt von Städten wie Lüttich oder Frankfurt. Na ja, es sind schon Luftlinie 111 beziehungsweise 185. Dabei ist das Abschätzen von Entfernungen eine der wichtigen Tugenden auf dem Platz: Sind es 80 Meter bis zur Fahne oder doch gut 90? Aber um das Golfspiel geht es bei der Golfmesse ja eh nur am Rande.
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