Bestsellerautorin im Schanzenviertel: Irre inspirierend
Für ihren jüngsten Roman hat sich Ildikó von Kürthy im Hamburger Schanzenviertel eingemietet. Was sie nach Hause schrieb? Exklusiv in der taz. Teil 3 und Schluss
Hallo Mami!
Ich sitze gerade an meinem Roman und brauche einen kleinen Break. Tatsächlich bildet sich meine kleine Wohnung immer mehr als Kreativitätspusher heraus! Ich schreibe jetzt meist von hier aus. Hier habe ich viel Ruhe und das Umfeld ist so inspirierend! Ich trete vor die Tür und in eine andere Welt ein! Die Leute sind so locker und offen, in der Schanze! Die fahren mit dem Rad, nicht, weil der SUV zur Wartung ist – sondern weil sie gar keinen haben!
Auch Markenkleidung ist hier angenehm unwichtig. Da kann ich auch meine Lieblings-Gucchi-Teile aus der letzten Saison noch mal anziehen, bei uns im Viertel wäre das so, als würde man Erbrochenes essen. Hier fällt das gar keinem auf!
Natürlich ist die Schanze kein Ort für die Kinder. Diese sogenannten Autonomen, die man immer mal sieht, die vielen Kneipen, die politischen Parolen an den Hauswänden und dann ist hier jeder, also wirklich jeder, tätowiert – aber auf mich hat das eine irre inspirierende Wirkung! Das Wilde, die alten Häuser, die Bettler – ich liebe diesen Shabby-Chic!
Ganz in ist es, für Lampedusa zu sein. Also für die Flüchtlinge aus Afrika und gegen die Politik, die nicht ins Land zu lassen. Da engagiert man sich. Natürlich finde ich nicht, dass jeder Afrikaner hier leben können soll, aber ich finde es wichtig, für die Zeit, in der ich hier lebe, Teil der Gemeinschaft zu sein und mich auch zu engagieren. Ich habe für heute Nachmittag für 80 Mann Sacher-Torte im Café Lindner in Eppendorf bestellt. Gegen 16 Uhr soll sie geliefert werden. Das ist, liebe Mami, schon ein sehr gutes Gefühl, zu helfen. Abzugeben. Zu teilen.
46, ist verheiratet, hat zwei Söhne und lebt in Hamburg. Sie absolvierte die dortige Henri-Nannen-Journalistenschule, arbeitete bei Brigitte und Stern.
1999 veröffentlichte sie ihren ersten Roman "Mondscheintarif", der auch fürs Kino verfilmt wurde. Es folgten weitere Romane, das Kinderbuch "Karl Zwerglein - eine Geschichte für Zauberinnen und Zauberer" sowie "Unter dem Herzen. Ansichten einer neugeborenen Mutter". Ihre Bücher wurden in etliche Sprachen übersetzt, die Gesamtauflage liegt bei über sechs Millionen Exemplaren.
Zuletzt erschienen: "Sternschanze" (Wunderlich/Rowohlt 2014, 352 S., 17,95 Euro). Ob von Kürthy während ihres Rechercheaufenthalts in der "Schanze" an ihre Mutter schrieb - und, falls ja, was -, ist unbekannt.
Das muss ja zuhause keiner wissen. Sonst laden uns die Osterhoffs wieder ewig nicht ein! Was so schlimm auch nicht wäre, dann würde man einmal umhinkommen, die neuen Bilder loben zu müssen. Susanne kauft glaube ich zu jeder Monatsblutung ein Gemälde. Und immer was mit Blau. Und immer alle gleich. Wenn da drei neue hängen, weiß ich nach Bild zwei immer gar nicht mehr, was ich noch sagen soll, um nicht als totale Kunstamateurin dazustehen.
Leider, oder Gott sei Dank, bin ich mit meinem Buch bald durch. Was bedeutet, dass meine Zeit in der Schanze zu Ende geht. Das ist wirklich schade. Ich bin ja am überlegen, ob ich die Wohnung nicht einfach behalte, so dass ich wenn ich mal einen Break von meinem Umfeld brauche oder einen creative push, hier her komme. Das wird nicht oft sein, alle sechs Wochen vielleicht. Aber wie gesagt, 1100 Euro kalt für zwei Zimmer, das ist so billig, da müsste ich ja mit dem Kleidersack gepudert sein, wenn ich mir diese Möglichkeit nicht offen halte.
So, meine liebe Mamumski, ich muss jetzt aufhören. Die ersten Seiten sind schon bei meiner Agentin. Die findet „Sternschanze“ ganz, ganz toll. Es sei so authentisch, sagt sie. Das freut mich. Ich war ja auch wirklich ganz nah an der Basis.
Kuss, Illi
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Zuschuss zum Führerschein?
Wenn Freiheit vier Räder braucht
Olaf Scholz in der Ukraine
Nicht mit leeren Händen