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Besetzung in Berlin SteglitzDer Bierpinsel ist wieder eröffnet

Ak­ti­vis­t:in­nen haben am frühen Samstagmorgen den „Bierpinsel“ besetzt, aus Protest gegen Kürzungen und Leerstand. Auch die taz war früh auf den Beinen.

Besetzung im Bierpinsel: Die Ak­ti­vis­t:in­nen protestieren gegen Kürzungen und Leerstand
Nicolai Kary

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Nicolai Kary aus Berlin

4.30 Uhr, in einem Park nahe der Schloßstraße in Steglitz. Letzte Lagebesprechung, bevor sich die schätzungsweise rund 20-köpfige Gruppe auf den Weg macht. Sie alle sind vermummt, haben Rucksäcke mit Verpflegung dabei. Eine Aktivistin zeigt der Gruppe noch eine Atemübung, um auch in hektischen Situationen möglichst Ruhe bewahren zu können. Doch noch ist hier alles ruhig. Nur wenige Pas­san­t:in­nen sind unterwegs, hin und wieder mal ein Auto. Im „Pia Beef Kebab“ an der U-Bahn-Station Schloßstraße wird noch aufgeräumt.

Dann ein Signal. Die Luft scheint rein zu sein. Plötzlich geht alles ganz schnell. Mucksmäuschenstill und geschlossen bewegt sich die Gruppe in Richtung des sogenannten „Bierpinsels“, ein rund 47 Meter hoher bauchiger Betonklotz, der auch als „Steglitzer Pinsel“ bekannt ist. Unbemerkt verschwinden die Ak­tivs­t:in­nen in dem Gebäude. Die Eingangstür verschließen sie hinter sich. Nur die taz bleibt draußen.

Doch was ist die Motivation hinter der Besetzung? Der Bierpinsel in Steglitz gelte als „Pleitebau“, heißt es in einer Pressemitteilung der Gruppe. Seit 2002 habe der „Bierpinsel“ „ständig wechselnde Besitzer“. Nun wolle man „diese Immobilienspekulation beenden und einen Begegnungsort für alle schaffen“, ist darin zu lesen. Im „Bierpinsel“ will man nun ein „selbstverwaltetes Gemeinschaftszentrum“ eröffnen.

Erbaut wurde der „Bierpinsel“ zwischen den Jahren 1972 und 1976. Das Gebäude soll einen stilisierten Baum darstellen. So zumindest hatten es die Ar­chi­tek­t:in­nen Ralf Schüler und Ursulina Schüler-Witte im Sinn. In den 1980er- und 1990er-Jahren wurde das Gebäude etwa gastronomisch genutzt, auch ein Hotel war mal darin. Seit mehr als zwei Jahrzenten steht das Gebäude nun aber vor allen Dingen leer. Gründe dafür sind Rohrbrüche, Asbestfunde und Brandschutzbestimmungen. Lediglich einige Zwischennutzungen gab es seitdem, kurzfristig etwa eine Diskothek und auch ein Kunstcafé.

Ak­ti­vis­t:in­nen wollen auf den Leerstand aufmerksam machen

Seit 2021 gehört das Gebäude der ImmoMa GmbH von Götz Fluck. Gekostet hat es rund 2,7 Millionen Euro. Fluck träumt nun auch wieder von einem Gastronomiebetrieb, mit Dachterrasse, auch Büros und eine Außenstelle der Freien Universität ist angedacht. Wie die B.Z. Anfang des Jahres berichtete, sind zudem Büros sowie eine Außenstelle der Freien Universität geplant. Die Außenfassade will ImmoMa begrünen. Passiert ist bisher allerdings gar nichts.

Auch aus der in diesem Jahr geplanten Eröffnung wurde nichts. Wie die B.Z. Anfang Januar berichtete, wollte ImmoMa in diesem Jahr Bauanträge einreichen. Laufe alles wie vorgesehen, könne das Gebäude in drei bis vier Jahren wieder eröffnet werden, berichtete das Blatt unter Berufung auf den Geschäftsführer Fluck. Kri­ti­ke­r:in­nen allerdings sprechen mit Blick auf den „Bierpinsel“ auch von „spekulativem Leerstand“.

Mit der Besetzung wollen die Ak­ti­vis­t:in­nen deshalb auch auf den „massiven Leerstand in Steglitz und Gesamtberlin“ aufmerksam machen. Denn schon in unmittelbarer Nähe zum „Bierpinsel“ befindet sich noch ein Monument einer gescheiterten Stadtplanung, der der Steglitzer Kreisel. Und auch den „demokratiefeindlichen Sozialabbau“, gemeint ist die Kürzungspolitik des Senats, kritisieren sie. Der Entwurf des Doppelhaushalts 2026/27 steht wegen der anhaltenden Kürzungen derzeit massiv in der Kritik. Von den Kürzungen betroffen sind insbesondere etwa die Bereiche Kultur, Bildung und Sozialprojekte.

Parallel findet in direkter Nähe zum besetzten „Bierpinsel“ an diesem Samstag ein Kiezfest statt. Auch hier geht es um die Kürzungen und das Thema Leerstand. „Die Kürzungen des Berliner Senats finden auf Kosten der Ber­li­ne­r*in­nen statt“, heißt es dazu in einem Aufruf. Das Kiezfest vor dem Boulevard Einkaufszentrum in Steglitz soll bis 18 Uhr stattfinden.

Um 12 Uhr schließlich rollen Transparente aus den Fenstern des „Bierpinsels“, auch Bengalos. „Pinsel besetzen, und Kiez vernetzen“, steht auf einem. Auch auf der Schlossstraße haben sich augenscheinlich etwa 50 Protestierende versammelt. „bierpinsel für alle“, wird skandiert, Flyer werden verteilt. Vor der Aufgangstreppe zum Gebäude haben sich einige Protestierende positioniert und blockieren den Zugang zum Aufgang des Gebäudes. Doch es dauert nur wenige Minuten, bis immer mehr Polizeikräfte eintreffen. Schnell ist die Sitzblockade geräumt. Laut einem Polizeisprecher werde nun das weitere Vorgehen geprüft und ermittelt, wie viele Personen im Gebäude sind.

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