Beschlagnahme der Habersaathstraße: Besetzer machen Politik

Ohne renitente Mieter und Besetzer wäre die Habersaathstraße wohl längst abgerissen. Ihr Druck zwingt die Politik zum Handeln.

Aktivisten stehen mit einem Transparent vor einem EIngang mit Polizisten

Wohnraum für alle! Foto: M. Golejewski/AdoraPress

Der Bezirk Mitte beschlagnahmt mindestens 30 seit Jahren leer stehende, aber bezugsfertige Wohnungen und stellt sie wenigstens vorübergehend Wohnungslosen zur Verfügung. Moralisch ist das richtig, denn es ist nicht einzusehen, wieso Menschen auf der Straße oder in wenig komfortablen und unter Coronabedingungen problematischen Notunterkünften schlafen sollten, wenn anderswo Wohnraum ungenutzt zur Verfügung steht. Auch rechtlich ist es folgerichtig: Spekulativer Leerstand ist in Berlin verboten.

Dass man sich dennoch verwundert die Augen reibt, liegt am meist wenig entschiedenen Vorgehen der Politik gegen Eigentümer. Dass dieses Wegducken im Fall der Habersaathstraße ein Ende hat, ist dabei dem Druck der Initiative Leerstand-hab-ich-Saath zu verdanken. Ein Jahr nach einem ersten Besetzungsversuch und wenige Tage nach einem daraus resultierenden Gerichtsprozess haben die Aktivist:innen, darunter viele Wohnungslose, das Haus ein zweites Mal besetzt – was für eine Chuzpe. Belohnt wurden sie, weil auch der Bezirksbürgermeister erkannte, dass eine polizeiliche Räumung ein Armutszeugnis wäre.

Die Pläne des Eigentümers, das intakte Haus abzureißen und durch einen Neubau seinen Profit in die Höhe zu treiben, sind eine Anmaßung. Dass er damit bislang nicht durchgekommen ist, ist den verbliebenen renitenten Mie­te­r:in­nen und der Initiative zu verdanken. Ihr hartnäckiger Kampf hat den Bezirk erst dazu getrieben, sich gerichtlich gegen die Abrisspläne zur Wehr zu setzen; unterstützt mit Geld vom Senat. Ohne ihren Druck wäre es wohl gelaufen wie am Hackeschen Markt. Dort konnte ein Eigentümer ein erst 20 Jahre altes Gebäude, in dem sich eine Seniorenunterkunft befand, abreißen lassen. Seit Anfang des Monats beherbergt der Neubau einen Apple-Flagshipstore.

Weil nicht an jeder Stelle der Stadt Menschen ihre Lebenszeit gegen diesen spekulativen Wahnsinn einsetzen können, muss die Politik lernen. Abriss von intaktem Wohnraum ist zu untersagen und auch gerichtlich durchzukämpfen. Leerstand gehört konsequent bestraft, Bußgelder von bis zu 500.000 Euro sind möglich. Dass auch eine Beschlagnahme ein Mittel ist, wissen wir jetzt. Danke dafür.

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Redakteur für parlamentarische und außerparlamentarische Politik in Berlin, für Krawall und Remmidemmi. Schreibt über soziale Bewegungen, Innenpolitik, Stadtentwicklung und alles, was sonst polarisiert. War zu hören im Podcast "Lokalrunde".

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