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Beschäftigte fordern Tarifverträge„Tagesspiegel“ streikt

Bezahlung nach Tarifvertrag gebe es, wenn die Zeitung schwarze Zahlen schreibt, sagt die Geschäftsführung. Die Beschäftigten protestieren.

Warnstreik der Beschäftigten der Tageszeitung „Der Tagesspiegel“ Foto: Christian Ditsch

Berlin taz | „Warnstreik“ steht auf den roten Schildern, die rund 120 Beschäftigte aus Redaktion und Verlag des Tagesspiegels in die Höhe halten. Und: „Schluss mit den Nullnummern“. Denn: Nach Branchentarif soll nur bezahlt werden, falls der Verlag schwarze Zahlen schreibe. Grund, um am Mittwoch zu streiken und zur Mittagszeit die Straße vor dem Redaktionsgebäude in der Nähe des Anhalter Bahnhofs zu blockieren, um eine Kundgebung abzuhalten, finden die Beschäftigten.

„Die Stimmung ist schlecht“, sagt eine Mitarbeiterin, die ihren Namen nicht in der Zeitung lesen will. „Seit über zwei Jahren führen wir Tarifverhandlungen und werden aber immer wieder mit minimalen Gehaltserhöhungen vertröstet.“ Am 29. März legte die Geschäftsführung des zu Holtzbrinck gehörenden Verlags ein neues Angebot vor: Re­dak­teu­r:in­nen mit bis zu 3.939 Euro Bruttogehalt, Angestellte im Verlag mit bis zu 3.230 Euro sowie Studierende sollten eine Gehaltserhöhung bekommen, um erst einmal die niedrigen Einkünfte anzupassen. Der Rest der Belegschaft erhielt das Versprechen, nach Branchentarifvertrag bezahlt zu werden, sollte der Tagesspiegel im Vorjahr schwarze Zahlen schreiben.

Eine Strategie, um einen Tarifvertrag zu vermeiden, findet der Großteil der Beschäftigten. „Leere Versprechen“, meint auch der Geschäftsführer der Deutschen- Journalist:innen-Union (DJU) in Verdi, Jörg Reichel. Zusammen mit dem Deutschen Journalisten-Verband (DJV) Berlin hatte seine Gewerkschaft zu einem eintägigen Warnstreik aufgerufen. „Die Lohnerhöhung würde nur 150 der 520 Beschäftigte betreffen“, sagt er.

Schwarze Zahlen sind höchst unwahrscheinlich

Außerdem sei es ein „stehender Witz“, dass der Tagesspiegel noch nie schwarze Zahlen geschrieben habe. Einmal in den letzten zwanzig Jahren sei das vorgekommen, sagt eine Mitarbeiterin auf der Kundgebung. In diesen zwanzig Jahren sei ihr Bruttogehalt minimal erhöht worden und immer noch weit vom Tarifgehalt entfernt. Laut Reichel liegen die meisten Beschäftigten mehrere hundert Euro unter dem Tarif.

„Tarifverhandlungen dürfen nicht von einer schwarzen Null abhängig gemacht werden, sondern davon, ob Verlag und Redaktion erfolgreich sind. Und das sind sie“, ruft Reichel ins Megafon und erntet Applaus. Mitte März war es bei Zeit Online, das ebenfalls zur Holtzbrinck-Gruppe gehört, zu einem Tarifabschluss gekommen. Sollte es beim Tagesspiegel nicht dazu kommen, würden die Beschäftigten erneut streiken. Eine Handvoll Leute in höheren Positionen soll in den letzten Monaten schon gekündigt haben.

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5 Kommentare

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  • Wie definiert man denn Erfolg ohne operativen Gewinn zu erwirtschaften? Eine Firma die 20 Jahre nur Verlust macht wird es nicht mehr so lange geben…

    • @Wombat:

      Manchmal kann es sinnvoll sein, aus ideellen Gründen, Verlustbringer weiter mitzunehmen. Gründe wie z.B. : Werbung, Arbeitgeberfreundlichkeit, Förderung von Kultur, Mäzenatentum usw.. Die Tagesspiegel-Mitarbeiter sollten stolz sein für diese Werte zu stehen, ebenso die Tazler oder werden die besser bezahlt?( Ich hoffe doch). Was passiert eigentlich mit Mitarbeitern, wenn die Printausgabe wegen Unwirtschaftlichkeit eingestellt wird? Gibt es schon einen Sozialplan?

      • @Pepi:

        Ein Konzern kann Verluste auch rechnerisch erzeugen.

        z.B.: zur Steuervermeidung

        • @Sonntagssegler:

          Aber nur begründet im Rahmen der Steuergesetzgebung.

  • Was zählt die Tat eigentlich pro Stunde?