Berufung gegen Friesenhof-Urteil: Ministerium will nicht zahlen

Schleswig-Holstein will der Betreiberin der Friesenhof-Heime keinen Schadensersatz zahlen – und geht gegen ein entsprechendes Urteil in Berufung.

Das Friesenhof-Heim in Hedwigenkoog.

Wurde im Sommer 2015 vom Jugendamt geschlossen: Das Friesenhof-Heim in Hedwigenkoog Foto: dpa

NEUMÜNSTER taz | Verschlossene Türen, Essensentzug, Strafsport: Mädchen, die in den Friesenhof-­Heimen in Schleswig-­Holstein untergebracht waren, klagten über „bootcamp“-artige Zustände. Im Juni 2015 entzog das Landesjugendamt zwei Heimen des Friesenhofs die Betriebserlaubnis. Doch das war nicht zulässig, urteilte das Verwaltungsgericht im Dezember. Die Betreiberin fordert Schadensersatz. Das Sozialministerium will gegen das Urteil in Berufung gehen, kündigte Staatssekretär Matthias Badenhop (FDP) im Sozialausschuss an.

Barbara Janssen, die Betreiberin der Friesenhof-Heime, hatte 2015 Insolvenz­ anmelden müssen und war gegen die Schließung angegangen. Das Schleswiger Verwaltungsgericht hatte auf formale Gründe wie Fristen hingewiesen, die das Land hätte einhalten müssen, zudem sei der Heimaufsicht das Konzept der „konfrontativen Pädagogik“ bekannt gewesen. Das Argument des Landes, dass das Wohl der Kinder in Gefahr war, nahm das Gericht nicht an.

Völlig unverständlich – fanden Abgeordnete im Sozialausschuss: „Was würden die damals betroffenen Mädchen dazu sagen?“, fragte Katja Rathke-Hoffmann (CDU). Auch Lars Harms (SSW) machte deutlich: „Was damals passiert ist, war Missachtung der Menschenrechte.“

Für angreifbar hält Badenhop­ das Urteil, weil nicht klar definiert sei, was „Kindeswohlgefährdung“ in Heimen bedeutet. „Das Gericht hat die selben Kriterien angewandt wie für eine Familie.“ Das sei eine „sehr eigene Sichtweise“.­ Badenhop­ erhofft sich, dass im Berufungsverfahren die Regeln für Jugendhilfeeinrichtungen geklärt werden.

Ein Behördenversagen?

Die Vorfälle im Friesenhof hatten eine Debatte über die Rolle der Heimaufsicht ausgelöst. In der Folge sind neue Strukturen wie eine Ombudsstelle entstanden. Die Vorwürfe gegen den Friesenhof waren im Mai 2015 durch eine Anfrage der Linken in der Hamburger Bürgerschaft öffentlich geworden. Wie später bekannt wurde, hatten schleswig-holsteinische Jugendämter keine Mädchen mehr in die Heime geschickt, weil es Beschwerden gegeben hatte.

Ein Behördenversagen also? Nein, sagt die damalige Staatssekretärin Annett Langner (SPD): „Wir sind mit dem schärfsten denkbaren Instrument vorgegangen.“ Allerdings sind die Möglichkeiten der Landesheimaufsicht begrenzt.

Um das zu ändern, haben Schleswig-­Holstein, Niedersachsen­ und Nordrhein-Westfalen per Bundesratsinitiative­ eine Gesetzesänderung gefordert. Im Februar hat der Bundesrat zugestimmt. „Nun muss die Regierung dieses Signal umsetzen“, sagt Badenhop.

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