Berühmte Opernsängerin: Proteste gegen Auftritt von Anna Netrebko
Die österreichisch-russische Opernsängerin Anna Netrebko gilt als kremlnah. Bei einem Auftritt in Berlin kam es zu Protesten.
„Russland ist ein Terrorstaat!“ und „Keine Bühne für Netrebko!“ skandieren die in ukrainische Flaggen eingewickelten Aktivist:innen am Dienstagabend auf dem Gendarmenmarkt in Berlin. Der Verein Vitsche hat zur Demonstration aufgerufen, denn wieder einmal ist die in Wien lebende österreichisch-russische Opernsängerin Anna Netrebko in Berlin zu Gast – diesmal nicht bei der Staatsoper, sondern beim Classic Open Air. Wegen einer Unwetterwarnung musste das ursprünglich für Montag geplante Konzert kurzfristig um einen Tag verschoben werden.
In drei Gruppen verteilt haben sich vor Veranstaltungsbeginn rund 100 Menschen an den Eingängen zum Konzertgelände versammelt, um sich lautstark gegen den Auftritt der Opernsängerin auszusprechen. Wer Netrebko hören will, kommt an ihnen nicht vorbei. Einige Opernfans erwidern auf die „Schämt euch“-Rufe der Demonstrant:innen „Ruhe!“ und „Haut ab!“ Eine Frau mit russischem Akzent brüllt „Ukraine pfui.“
Daran, dass Netrebko Ende 2014 1 Millionen Rubel an das Opernhaus Donezk spendete, erinnern die Demonstrant:innen in ihrer Rede. Damals war die Stadt bereits von Russland besetzt. Die Sängerin ließ sich mit dem Separatistenführer Oleg Zarjow und mit einer „Neurussland“-Flagge ablichten, dem Symbol der prorussischen Kräfte, was für reichlich Empörung sorgte.
Die Spende sei kein politischer Akt, sie glaube an die Kraft von Kunst in Zeiten von Konflikt und Krise, erwiderte damals die berühmteste Opernsängerin der Welt. Die Flagge habe sie nicht erkannt. Aber natürlich war ihre Aktion hochpolitisch, ebenso wie ihre pompöse Geburtstagsfeier im Kreml im Herbst 2021. Sie stellte der russischen Führung regelmäßig ihr Gesicht und ihre Stimme für PR-Zwecke zur Verfügung.
Halbherzige Statements
Auf Konzertabsagen und viel Druck hin veröffentlichte Netrebko halbherzige Statements: Sie bedauere, dass ihre früheren Handlungen oder Aussagen falsch interpretiert worden sein könnten – eine klassische Nopology. Sie habe Putin nur ein paar Mal getroffen und verurteile den Krieg. In Russland trat sie nicht mehr auf und verlor dort wegen ihrer mangelnden Unterstützung für den Krieg massiv an Beliebtheit.
Die Pressesprecherin von Vitsche, Vladyslava Vorobiova, erklärte gegenüber der taz: „Netrebko steht symbolisch für eine Kultur, die sich nie von Putins Regime distanziert hat – im Gegenteil: Sie hat es gefeiert, finanziert und legitimiert. Dass sie heute wieder auf einer Bühne in Berlin steht, ist ein Skandal.“ Die Classic Open Air ließ eine Anfrage der taz unbeantwortet.
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