Bertelsmann-Studie zu Kinderarmut: Arbeitslose Mütter, arme Kinder
Sind Frauen nicht erwerbstätig, steigt das Risiko, dass ihre Kinder verarmen, signifikant. Das betrifft besonders stark Alleinerziehende, aber auch Frauen in Paarbeziehungen.
Demnach wachsen in Familien mit einem Elternteil beinahe alle Kinder (96 Prozent) in dauerhaften oder wiederkehrenden Armutslagen auf, wenn die Mutter nicht arbeitet. Bei einer stabilen Teilzeitbeschäftigung der Mutter sinkt der Anteil auf 20 Prozent, wobei weitere 40 Prozent der Kinder weiterhin zumindest zeitweise Armutserfahrungen erleben.
Arbeitet die Mutter über einen längeren Zeitraum Vollzeit, werden 16 Prozent der Kinder zeitweise mit Armut konfrontiert. In den meisten Fällen gelingt es aber, diese Erfahrung nicht dauerhaft werden zu lassen.
Auch in Paarfamilien steigt das Armutsrisiko für Kinder der Studie zufolge deutlich, wenn Mütter ihre Arbeit verlieren oder aufgeben. Sind diese über einen längeren Zeitraum hinweg nicht erwerbstätig, erleben 32 Prozent dauerhaft oder wiederkehrend Armutslagen, 30 Prozent kurzzeitig. Arbeiten ihre Mütter in Voll- oder Teilzeit oder haben einen Minijob, sind nahezu alle finanziell abgesichert.
„Teilhabegeld“ soll staatliche Leistungen bündeln
„Kinderarmut hängt maßgeblich an der Erwerbstätigkeit von Frauen“, erklärte Stiftungsvorstand Jörg Dräger. „Müttern muss es erleichtert werden, arbeiten zu gehen.“ Zugleich müsse das Unterstützungs- und Hilfesystem für Kinder es auffangen können, wenn die Mütter wegen der Familiensituation nicht erwerbstätig sein könnten. Kinder bräuchten auch „gemeinsame Zeit und Betreuung“.
Die Stiftung macht sich unter anderem dafür stark, alle staatlichen Leistungen für Kinder in einem sogenannte Teilhabegeld zu bündeln und dieses in der Höhe stärker auf die Einkommenssituation der Eltern auszurichten. Wohlhabendere Familien sollten weniger bekommen, während ärmere besonders profitieren sollen. „Das vorhandene Geld muss dort ankommen, wo es am meisten gebraucht wird“, betonte Dräger.
Die Diakonie in Niedersachsen hat angesichts der Studie die Forderung nach einer eigenen Grundsicherung für Kinder bekräftigt. „Es ist dringend geboten, dass wir wieder über eine Verteilungsgerechtigkeit in unserem Land reden“, sagte Vorstandssprecher Hans-Joachim Lenke am Mittwoch in Hannover dem Evangelischen Pressedienst (epd).
Das IAB ist das Forschungsinstitut der Bundesagentur für Arbeit in Nürnberg. Laut verwendeter Definition liegt eine Armutslage vor, wenn eine Familie mit weniger als 60 Prozent des mittleren Haushaltsnettoeinkommens auskommen muss oder Hartz IV bezieht.
Kinder von Freizeitaktivitäten ausgeschlossen
Die von der Studie verwendeten Armuts- und Armutsrisikodefinitionen sind nicht unumstritten, es gibt auch andere Konzepte. Sie Stiftung verteidigte sie aber. „Armut bedeutet in Deutschland in der Regel nicht, obdachlos oder hungrig zu sein“, betonte sie. Sie äußere sich aber „in materiellen Entbehrungen“ und vor allem „Einschränkungen in der sozialen und kulturellen Teilhabe“. Arme Kinder seien deutlich benachteiligt. Zudem verweist, die Studie auf Vorläuferstudien, die die Erwerbssituation der Mutter als signifikant für die Situation der Kinder herausgestellt haben. Alternative Familienkonzepte scheinen nicht berücksichtigt.
Von Kindern und Jugendlichen aus finanziell abgesicherten Haushalten sind mehr als 75 Prozent in Vereinen aktiv. Bei Kindern aus ärmeren Familien sind es nur halb so viele (40 Prozent). Doppelt so viele aus ärmeren Familien als aus finanziell abgesicherten Familien würden nach eigenen Angaben nicht an Freizeitaktivitäten ihrer Wahl teilnehmen können.
Grundlage für die Studie „Lebensumstände von Kindern im unteren Einkommensbereich“ ist die repräsentative Längsschnittstudie „Panel Arbeitsmarkt und Soziale Sicherung“ (PASS), in der seit 2006 jährlich etwa 15.000 Menschen ab 15 Jahren befragt wurden. Dafür wurden Informationen von fast 3.200 Kindern über einen Zeitraum von fünf Jahren ausgewertet.
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