Berollung des Berliner Mauerparks: Noch kein Park für alle
Zum Mauerpark wollen alle. Nur kommen nicht alle überall hin. Das zeigt ein Termin des Behindertenbeirats Pankow mit Betroffenen und der Politik.

„Architektonische Schönheit und Barrierefreiheit sollten sich eigentlich nicht ausschließen“, sagt Barbara Wecker dazu. Man könne es auch als positive Herausforderung sehen, beides zu vereinen. Doch hier ist das offensichtlich nicht passiert.
Die gepflasterte Rampe ist nur ein Beispiel dafür, wie schwer es Menschen mit Behinderungen fällt, sich im Mauerpark zu bewegen. Auch unscheinbare Poller, herumstehende E-Roller und Fahrräder sind Hindernisse. Deswegen hat der Behindertenbeirat Pankow am Freitag zu einem Spaziergang durch den Mauerpark eingeladen. Gemeinsam konnten sich 50 Betroffene und Nicht-Betroffene über Barrieren austauschen und voneinander lernen.
Eine von ihnen ist Carmen Olivar. Das Rollen über Kopfsteinpflaster oder Bordsteinkanten habe dazu geführt, dass sich Schrauben am Rollstuhl lockerten oder herausgefallen sind. „Meine Krankenkasse musste ständig meinen Rollstuhl reparieren“, sagt die 64-Jährige.
Vor Kurzem hat sich Olivar deshalb eine portable Rampe gekauft. Die hat sie nun immer dabei. Doch unabhängig ist sie auch damit nicht: „Ich muss immer irgendwelche Leute fragen, die mir dabei helfen, sie herauszuholen und wieder einzupacken“, sagt Olivar. „Ich habe mich damit arrangiert, aber ein schönes Leben geht anders.“
Herumstehende Roller als Gefahr
Der 69-jährige Dieter S. ist fast blind. Für ihn sind vor allem die Poller am Parkeingang ein Problem. Weil er fast immer mit seinem Mann unterwegs sei, könne der ihm helfen, erklärt er. „Wenn ich allerdings allein unterwegs bin, würden mir auffällige farbige Markierungen an den Pollern helfen“. So könne auch er sie sehen.
Noch gefährlicher für blinde oder sehbehinderte Menschen sind herumstehende E-Roller oder Fahrräder. Die bleiben nicht am selben Ort, sondern werden immer neu abgestellt. Im Gegensatz zu den Pollern kann man sich also nicht merken, wo sie stehen.
Gerade für Menschen im Rollstuhl sind herumstehende Roller und Fahrräder oft ein unüberwindbares Hindernis. Wenn die Roller achtlos mitten auf dem Weg abgestellt werden und dieser nur sehr schmal ist, können sie nicht einfach drum herumfahren. „Wir dürfen bei den Fortschritten in der Mobilität durch E-Roller nicht die anderen Menschen vergessen“, sagt Barbara Wacker deswegen.
Auf dem Weg durch den Park kommt die Gruppe auch an einem eigentlich als barrierefrei gedachten Trinkbrunnen vorbei. Doch leider funktioniert er für viele Menschen im Rollstuhl nicht. Die Entwerfer*innen der halbbogenförmigen Brunnen haben nicht bedacht, dass Rollstühle unterschiedlich hoch sind. Manche sind zu groß, so dass die Räder nicht unter den Bogen passen. Andere dagegen sind so klein, dass sie zwar darunterpassen, die Betroffenen aber den Wasserhahn nicht erreichen können.
Betroffene früh beteiligen
Es gibt also viel Handlungsbedarf. Für Umbauten braucht es allerdings Geld. Das sei im Moment nicht ausreichend vorhanden. „Trotzdem bleibe ich optimistisch“, sagt Jan Schrecker, Vorstand des Behindertenbeirats Pankow. Ulrike, 58 Jahre alt und Mutter einer Tochter mit Down-Syndrom, denkt allerdings, dass es durchaus möglich wäre, Berlin barriereärmer zu gestalten. „Die Politiker*innen sind schon für Inklusion, aber sie investieren einfach zu wenig“, kritisiert sie.
Cordelia Koch, grüne Bezirksbürgermeisterin von Pankow, meint, dass man nicht immer viel Geld in die Hand nehmen müsse, um etwas zu verbessern. „Wir können hier im Park auch kleine Veränderungen vornehmen“, sagt sie. „Und auch diese sind sehr wichtig.“
Solche Veränderungen könnten zum Beispiel Orientierungshilfen sein. Denn auch diese sind für Menschen mit Behinderung hilfreich. Jan Schrecker fordert deshalb mehr Markierungen für Blinde. Diese können sie mit ihrem Blindenstock erspüren und wüssten dann, an welcher Stelle im Park sie sich gerade befinden.
Auch Ulrike beschäftigt das Thema Orientierung. Sie fordert mehr Piktogramme für Menschen, die nicht oder nicht gut lesen können oder eine andere Sprache sprechen. So könnten auch sie mehr am öffentlichen Leben teilhaben.
Während des Spaziergangs wird deutlich, was Manuela Anders-Granitzki, Stadträtin für Ordnung, Straßen, Umwelt und Grünanlagen in Pankow (CDU) gleich zu Beginn gesagt hat: „Die Anforderungen an die Barrierefreiheit sind je nach Behinderung sehr unterschiedlich“. Deswegen sei es wichtig, die Perspektive verschiedener Betroffener einzunehmen.
Einig sind sich alle, dass Menschen mit Behinderung zu wenig in Planungen und Entscheidungen einbezogen werden. „Wenn man die Flächen erst nachträglich barrierefrei umbaut, statt sie von Anfang an mitzudenken, wird das viel teurer“, meint Jan Schrecker.
Das gilt auch für die Rampe aus Pflaster. Die Frage, warum diese nicht asphaltiert wurde und ob Betroffene bei der Planung beteiligt waren, ließ die landeseigene Grün Berlin GmbH als Bauherrin und Betreiberin des Parks allerdings unbeantwortet.
Am Ende sind die Besucher*innen sehr zufrieden mit der „Berollung“, wie Cordelia Koch den Spaziergang nennt. „Ich hatte sehr viele Einsichten“, resümiert die Bezirksbürgermeisterin. Nun werde sie dafür einsetzen, die Zahl der Bordsteinkanten zu reduzieren. Wegen des Brunnens will sie auch mit den Berliner Wasserbetrieben reden.
Auch Carmen Olivar sieht das so. „Zuerst müssen die Barrieren in den Köpfen der Menschen beseitigt werden, man muss mit Betroffenen reden und viel fragen“, meint sie. Dafür seien Veranstaltungen wie diese ein wichtiger Schritt und längst überfällig. „Mein Traum ist, dass Nicht-Behinderte gegenüber Menschen mit Behinderung sensibilisiert sind.“
Der nördliche Teil des Mauerparks wurde erst vor einem Jahr umgebaut. Dort sind die Flächen barriereärmer und inklusiver gestaltet. Cordelia Koch ist damit sehr zufrieden. „Ich denke, dass diese Flächen nun auch für Menschen mit Behinderung sehr gut nutzbar sind.“
Vielleicht kann diese Sanierung ja ein Vorbild für weitere Maßnahmen sein.
Die Autorinnen waren als Schülerpraktikantinnen bei der taz
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