Bernward Janzing über Stromversorgung im Katastrophenfall: Reden wir über Resilienz
Die atompolitischen Kapriolen nach dem Fukushima-Schock haben die Versorgungssicherheit in Deutschland nicht geschmälert; unser Stromsystem glänzt weiterhin durch eine Stabilität, von der andere (Atom-)Länder nur träumen können. Verantwortlich für die Ausfallzeiten ist eben nicht so sehr die Art der Stromproduktion. Viel entscheidender sind andere Faktoren: der technische Zustand des Netzes und die Organisation des Strommarktes. Sind beide in Ordnung, ist offenkundig selbst schwankende Erzeugung aus Photovoltaik und Windkraft auch in großen Mengen zu handhaben.
Und doch darf man sich von dieser Erkenntnis nicht blenden lassen. Denn obwohl die aktuellen Zahlen beeindrucken, baut sich ein Problem auf: Unser Stromsystem entwickelt gerade eine Komplexität, die es anfällig macht. Mit dem Atomausstieg hat auch das weniger zu tun als mit der in allen Lebensbereichen zunehmenden Abhängigkeit vom Datentransfer und von zentralen Strukturen.
Die Systemtheorie kennt den Begriff der Resilienz. Er beschreibt im technischen Kontext die Fähigkeit eines Systems, bei einem Teilausfall nicht vollständig zu versagen. Und daran muss sich auch unsere Stromversorgung mehr als bisher orientieren: Sollte es zu einem großflächigen Netzausfall kommen (zum Beispiel wegen eines Angriffs auf die Telekommunikation), müssen kleinere Einheiten – einzelne Gebäude, Quartiere oder Gemeinden – in der Lage sein, eine lokale Notversorgung aufrechtzuerhalten. Der Elektrotechnikerverband VDE denkt mit seinem Konzept „Der zellulare Ansatz“ bereits in die richtige Richtung – mit Erzeugung, Speicherung und Leittechnik vor Ort.
In der Öffentlichkeit diskutierte man unterdessen lieber das leidige Thema Atomausstieg und Versorgungssicherheit. Das sollte mit den guten Zahlen nun abgehakt sein. Eine hervorragende Gelegenheit, endlich über die grundsätzliche Resilienz unserer Infrastruktur zu sprechen.
Wirtschaft + Umwelt
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