Dänemark for Future: Verehrte Majestät, König Frederik X.!
Unser Autor bittet um die dänische Staatsbürgerschaft. Er findet, dort ist die Klima- und Umweltpolitik viel besser.

V erzeihen Sie die direkte Anrede und den kurzen Dienstweg, Königliche Hoheit. Aber es ist dringend. Spätestens seit Ihr Land Anfang Juli den Vorsitz im EU-Rat übernommen hat, ist mir klar, dass es jetzt schnell gehen muss. Bitte machen Sie mich zu einem dänischen Staatsbürger! Nur so können wir vielleicht gemeinsam die Welt retten.
Ich gebe offen zu: In der Vergangenheit gehörte ich allzu oft zu der ignoranten Minderheit, die mit Prinz Hamlet der Meinung war, es sei was faul im Staate Dänemark. Die von Butter und Käse aus Ihrem Königreich die Nase voll hatten und das Land als Verlängerung von Schleswig-Holstein und Schwesig-Vorpommern sahen. Für die die dänischen Felder und Wiesen nur eine langweilige Zwischenstation waren auf dem Weg zu den endlosen Wäldern Schwedens und den gigantischen Fjorden Norwegens.
Das ist vorbei! Dänemark ist nun meine letzte Hoffnung auf Klima- und Umweltschutz in der EU. Ihre Untertanen, lieber Frederik X., machen sehr viel richtig, wenn es um den Umbau der Wirtschaft zum Klimaschutz geht: Windkraft an jeder Ecke, überall Fernwärme, Vorfahrt für Fahrräder.
Sie bauen in Esbjerg die größte Wärmepumpe der Welt, engagieren sich, ihr Treibhausgift per CCS unter den heimischen Meeresboden zu bekommen (okay, darüber könnte man noch reden) und haben aus dem staatlichen Öl- und Gaskonzern Dong (der mich immer an einen Glockenschlag erinnert hat) den Erneuerbaren-Champion Örstedt gemacht (okay, der jetzt mit Problemen kämpft, aber wer ist perfekt?).
Realismus statt Ideologie
Und ja, Majestät, ich bin nicht naiv: Selbst Ihr Paradies im Norden hat seine Tücken: Eine harte Migrationspolitik (deshalb wende ich mich ja direkt an Sie!), soziale Probleme in den Städten, eine furchtbare Kolonisationsgeschichte gegenüber Grönland. Die ökofreundliche Wärmeversorgung des Landes und den Skihügel auf der Müllverbrennungsanlage in der Hauptstadt verdanken Sie eben dieser Abfallbeseitigung und der Gülle aus der Massentierhaltung.
Aber, aber, aber: Was mich fasziniert, ist die pragmatisch nordische Sicht auf Probleme – und Lösungen: Es gibt die allgemeine Einsicht, dass man in der Energie- und Klimapolitik Realismus statt Ideologie walten lässt. Wärmepumpen sind das beste und billigste Mittel zum Heizen, also baut man sie überall ein.
Wind ist billig und macht unabhängig, also baut man darauf eine Exportwirtschaft. Und vor allem: setzt es auch politisch um. Nächstes Jahr sind Wahlen – und wie ich höre, hat Ihre Regierung ein Problem, weil sie nicht genug Klimapolitik macht. Entschuldigung, Majestät, das muss ich für die Deutschen im Publikum noch einmal laut und deutlich sagen: Die Regierung bekommt Probleme, weil sie zu wenig Klimapolitik macht!
Keine echten deutschen Lösungen
Ich sinke auf die Knie und werde zum Monarchisten. Ich bin Bürger eines Landes, dessen aktuelle Regierung dafür gewählt wurde, klimapolitisch bloß nicht zu viel zu tun oder es zumindest nicht laut zu sagen. Ich lebe in einem Land, in dem die Wärmepumpe durch eine Kampagne voll Dummheit und Lobbyismus von einer Lösung zu einer angeblichen Bedrohung aus dem Heizungskeller gemacht wurde.
Wo die Regierenden lieber Feenstaub wie grüne Verbrennungsmotoren versprechen, statt auf echte Lösungen zu setzen. Indem die einzige Regierung, die in Teilen je versucht hat, ernst zu machen mit Klimaschutz, mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt wurde.
Also, bitte, Majestät, machen Sie mich zu einem Dänen! Dann könnte ich bei der nächsten Bundestagswahl meine Stimme auch dem Südschleswigschen Wählerverband SSW geben, der bisher skandalöserweise nur einen Abgeordneten in den Bundestag schickt. Und wir müssen dann hier nur noch 15 Millionen WählerInnen von den Vorteilen Dänemarks überzeugen. Dann hätte der SSW mit den anderen Klimaschützern endlich eine Mehrheit im Parlament. Und unser dänischsprachiger König Robert I. könnte aus seinem dänischen Exil zurückkommen und aus uns ein kleines Dänemark machen. Der Rest ist Schweigen.
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