piwik no script img

Bernhard Pötter über Merkels NachhaltigkeitkonzeptSie kam, sah und sagte nichts

Nachhaltigkeit hat ein Image-Problem: Niemand versteht das Konzept, nach dem Umwelt, Wirtschaft und Soziales im Einklang stehen sollen. Nachhaltigkeit hat aber noch ein viel größeres Problem: Wenn man über sie redet – wie gestern bei der Jahres­tagung des Nachhaltigkeitsrats – ist von Plänen, Projekten, Institutionen und Konzepten die Rede. Die Wirklichkeit ist oft zweitrangig. Denn während die Wirtschaft brummt und sich viele soziale Aspekte verbessern, kommt die Umwelt unter die Räder.

Der Bericht von internationalen Experten zur deutschen Nachhaltigkeitspolitik enthält viel Lob, aber auch einen Wink mit dem Zaunpfahl. Es brauche „engagierte Führungsverantwortung“ im Kanzleramt. Das heißt: Liebe Kanzlerin, misch dich ein in die Debatten um Kohleausstieg, soziale Ausgrenzung, explodierende Mieten, Dieselskandal oder Bienentod. Merkel allerdings kam, sah und sagte nichts. Wer ein deutliches Engagement der Regierungschefin für die Ziele der Nachhaltigkeitspolitik erwartet hatte – und das waren einige auf dem Kongress –, wurde enttäuscht.

Da kommt ein beunruhigender Gedanke auf: Vielleicht geht es der Nachhaltigkeit so schlecht, nicht obwohl, sondern weilso viel darüber geredet wird? Weil das Nichtstun oder das falsche Tun solange nicht gebremst wird, wie der Nachhaltigkeitsbeauftragte sich damit beschäftigt? Weil die Kritiker mit am Runden Tisch sitzen? Weil der Eindruck entsteht, es werde etwas getan – während hinter der Kulisse ­vieles weiter in die falsche Richtung geht?

„Wer, wenn nicht Deutschland“ könne eine nachhaltige Politik machen, schreiben die Experten. Nun ja: Vielleicht ein Land, das mehr auf den Druck seiner Kundinnen, Bauern, Verbraucher und Radfahrerinnen vertraut. Und weniger auf seine tollen Konzepte und Gremien. Und noch weniger auf eine Regierungschefin, die immer nur erklärt, Nachhaltigkeit sei aber auch echt schwierig umzusetzen. Dabei hatte sie die Blaupause dafür schon im CDU-Wahlkampf: „Für ein Deutschland, in dem wir gut und gerne leben“.

wirtschaft + umwelt

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen