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Bernd Schröder über WM 2015 in Kanada„Es wäre viel mehr möglich gewesen“

Turbine Potsdams Trainer Bernd Schröder bedauert, dass beim DFB-Frauenteam sowohl Kritik als auch Selbstkritik verpönt sind.

Typische Pose: Bernd Schröder mit erhobenem Zeigefinger Foto: dpa
Interview von Johannes Kopp

taz: Herr Schröder, Colin Bell, ihr Trainerkollege aus der Bundesliga, hat das deutsche Nationalteam wegen seiner taktischen Unflexibilität stark angegriffen. Hat er ihre Rolle als Chefkritiker übernommen?

Bernd Schröder: Ja, vor vier Jahren war ich der Bösewicht. Aber ich habe mich auch jetzt geäußert. Das Grundproblem ist doch, dass man im deutschen Nationalteam keine Selbstkritik übt. Bei den Männern haben nach dem verpatzten Halbfinale gleich fünf, sechs U21-Spieler erklärt: ‚Wir haben scheiße gespielt.‘

Ihr Wolfsburger Kollege Ralf Kellermann, hat seine kritischen Worte mittlerweile relativiert. Übt der DFB Druck auf die nörgelnden Ligatrainer aus?

Nein, das war wohl eher der Verein, der ihn gewarnt hat, sich nicht so weit aus dem Fenster zu lehnen. Aber warum? Wir haben doch eine Demokratie. Es wird doch keiner erschossen, gehängt oder vergiftet. Man muss den Wert der Kritik beachten. Das wird weder von den Vereinen noch vom DFB-Team getan.

Nadine Angerer hat sich gegen die Kritik von Herrn Bell vehement gewehrt.

Sie war ja noch eine der Besten. Da will man auf die Kolleginnen wahrscheinlich nicht so einschlagen, zumal es ihre letzte WM war.

Silvia Neid fühlt sich offenkundig auch ungerecht behandelt. Sie klagte, dass die Spielerinnen in einem katastrophalen Zustand zu ihr kamen und die zehn Tage Vorbereitung nur Regeneration möglich war.

Ich habe von vornherein gesagt, dass wir Bundesligatrainer auch eine Verantwortung haben, weil keine richtige Vorbereitung möglich war. Aber meine drei Spielerinnen waren topfit. Tabea Kemme hat auch noch im letzten Spiel gegen England voll gepowert. Das Pech ist nur, dass sie alle auf der gleichen Position spielen und nur füreinander ausgetauscht werden konnten.

Im Interview: 

Seit Anfang der siebziger Jahre ist der 72-Jährige Cheftrainer von Turbine Potsdam. Zweimal gewann er die Champions League, je sechsmal die DDR- und Deutsche Meisterschaft sowie dreimal den DFB-Pokal.

Das heißt, Frau Neid hat nicht Unrecht mit ihrem Einwand?

Den Spielerinnen von Frankfurt, die mehr Saisonspiele hatten, sah man schon Probleme an. Aber die waren doch immer noch fitter als die anderen. Es ist mir zu oberflächlich, das auf ein körperliches Problem zu reduzieren. Das war vielmehr Kopfsache. Es wäre viel mehr möglich gewesen.

Was denn?

Ich bin absolut überzeugt von dieser Mannschaft. Da sind so viele gute Spielerinnen dabei. Da ist eine tolle Mischung. Da müssen wir einen anderen Anspruch haben.

Dabei vertreten derzeit manche die These, dass das deutsche Team den Anschluss an die Spitze verpasst hat.

Das sehe ich nicht so. Wir sollten uns nicht schlechter machen, als wir sind. Von der Qualität der Spielerinnen haben wir am meisten zu bieten. Wir hätten es verdient gehabt, Weltmeisterinnen zu werden.

Warum sind die aus Ihrer Sicht besten Spielerinnen gescheitert?

Wir haben zwar ein gutes Spielsystem, aber die anderen sind doch nicht blöd. Die Amerikanerinnen, die während des ganzen Turniers keine besondere Leistung gezeigt haben, haben sich bestens darauf einstellen können. Und wir sind auch zu berechenbar, wenn immer die gleichen Spielerinnen auf den selben Positionen spielen.

Die Kritik ist ja nicht neu. Bereits vor vier Jahren haben Sie die taktische Eindimensionalität und die fehldende Selbstkritik bemängelt. Es hieß damals, man würde sich zusammensetzen und darüber reden. Warum ist nichts passiert?

Weil wir irgendwie Europameister geworden sind. Das war das Problem. Dann dachten alle wieder: Wir sind die Größten. Das war ja auch in Kanada nach dem Schwedenspiel so.

Was meinen Sie?

Es wurde allseits gefeiert, wie wir gegen ein abgefracktes Team aus Schweden, das ohne jegliches System gespielt hat, gewonnen haben. Da haben sich viele täuschen lassen. Dabei hat man die Schwächen doch schon bei unserem 4:0-Erfolg gegen das Weltklasseteam aus Thailand gesehen.

Ist es sinnvoll, dass Silvia Neid wie geplant bis zu den Olympischen Spielen 2016 Trainerin bleibt?

Meine kritische Haltung zu Silvia Neid ist bekannt. Aber das Ganze hängt doch nicht an einer Person. Es muss sich im ganzen Betreuerteam etwas ändern. Ich würde mir als Trainer in der Situation allerdings schon die Frage stellen, ob es gut ist, weiter zu machen. Aber wenn sie überzeugt ist, Veränderungen mit anstoßen zu können. Warum nicht?

Spätestens Steffi Jones könnte als designierte Nachfolgerin nächstes Jahr einen Kurswechsel vornehmen. Ist Sie denn die geeignete Frau dafür?

Allein wird sie das sicherlich nicht schaffen. Sie braucht das richtige Team um sich. Es muss ein personeller Umbruch her.

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1 Kommentar

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  • Auf diesen Mann sollte man allgemein hören, nicht nur, weil er bereits 72 Jahre alt ist und sich in der Vergangenheit, wie kaum eine andere Person, mit allen möglichen Varianten als verantwortlicher und dabei sogar noch erfolgreicher Clubtrainer im Frauenfußball bestens auskennt. Wie aber nicht nur Insidern bekannt sein dürfte, passen schon seit Jahren die Namen Schröder und Neid überhaupt nicht zusammen. Sie sind wie Wasser und Feuer! Wenn etwas bei der Nationalmannschaft nicht klappt, ist er meistens mit seine Wortmeldung zuerst zur Stelle. Damit sollte allerdings der jeweilige Betrachter erkennen, dass er in erster Linie kein Wichtigtuer sein möchte, sondern nur das immer kritisch ansprechen, was er bei einem Scheitern, wie in Kanada wieder geschehen, von den Spielerinnen bzw. deren Trainerin anders erwartet hätte!

    Die in den Medien erst nach der zweiten Niederlage bekanntgewordenen Hinweise der verantwortlichen und bald ausscheidenden Frau Neid auf den miserablen Fittnesszustand ihrer Schützlinge schon bei der Ankunft in der kurzen Vorbereitungsphase auf dieses WM-Turnier, überrascht mich allerdings sehr, aber nochmehr die entsprechende zurückhaltende Reaktion Schröders darauf! Um ehrlich zu sein, kann man diesmal aus seinen Worten keine auffällige Trendänderung erkennen, außer dem Hinweis, die einzelnen Spielerinnen zukünftig auf verschiedenen Positionen einzusetzen, um die jeweiligen Gegenspieler zu verunsichern......