Berlins Polizei betritt Neuland: Zwitschernde Einsatzleitung
Die Polizei will künftig ihre Einschätzungen der Lage auf Großdemonstrationen twittern. Die Nutzung sozialer Netzwerke durch die Berliner Politik ist bislang dürftig.
Vor langer Zeit, als das Demonstrieren noch geholfen hat, waren Scharmützel wie der Kreuzberger 1. Mai für die Teilnehmenden selbst nur in Maßen überschaubar. Dann kamen Mobiltelefone auf, dann die SMS, und heute kann jeder den eigenen Protest live auf dem Smartphone miterleben – über die Live-Ticker der Presse und Netzwerke wie Facebook und Twitter. Bald könnte es neuen Input geben: Die Berliner Polizei hat angekündigt, bei größeren Einsätzen aktuelle Lageeinschätzungen über Twitter zu verbreiten.
„Wir wollen die neuen Medien stärker nutzen“, erklärte Polizeipräsident Klaus Kandt am Wochenende gegenüber der Nachrichtenagentur dpa. Über die Motivation sagte er: „Wir wollen nicht nur Konflikte lösen, sondern auch vermitteln, was gerade passiert. Damit es gar nicht erst durch Gerüchte oder Fehlinformationen zu Aufregungen kommt.“ Es gehe nicht um einen „Meldungswettkampf“ mit den Demo-Veranstaltern, sondern nur um die Schilderung der eigenen Perspektive.
„Keine Taktik“
Wer sich davon Tweets à la „Eingekesselte munitionieren sich mit Steinen. Wir gehen da jetzt rein. #hartehand“ verspricht, dürfte gründlich daneben liegen. Es gehe „nicht um taktische Mitteilungen, sondern um valide Informationen“, konkretisierte der Polizeipräsident. Schon gar nicht sei beabsichtigt, „Demonstranstengruppen mit falschen Mitteilungen zu verunsichern“.
Auch eine Facebook-Präsenz der Polizei kündigte Kandt in diesem Zusammenhang an. Bislang sind die Ordnungshüter nicht in den Netzwerken vertreten. Nur Sprecher Stefan Redlich twittert auf eigene Faust Links zu Medienberichten über die Polizei, und der Account „Police Berlin“, dessen Name schon nahelegt, dass er nicht von offizieller Seite betrieben wird, verbreitet Pressemitteilungen aus dem Präsidium unkommentiert weiter.
Dass sie bislang mit den sozialen Netzwerken fremdelt, ist kein Alleinstellungsmerkmal der Polizei. Das Verdikt der Bundeskanzlerin, man betrete mit dem Internet „Neuland“, passt auf Berlins PolitikerInnen recht gut. Nur etwa jeder dritte Abgeordnete nutzt Twitter und Facebook, hat der Tagesspiegel nachgezählt. Noch viel weniger dringt aus dem Senat über diese Kanäle an die Öffentlichkeit.
Von den SenatorInnen twittern lediglich Dilek Kolat (SPD) und Mario Czaja (CDU) ein wenig. Und während Czaja auf seiner Facebookseite auch persönlich gehaltene Nachrichten aus dem Wahlkreis verbreitet („Mehr als 400 verkaufte Bratwürste sind ein guter Seismograph für die guten Besucherzahlen des Adventsmarkts“), lässt der Regierende Bürgermeister über das Portal nur Pressemitteilungen verbreiten. Immerhin: Senatskanzleichef Björn Böhning (SPD) ist ein eifriger Twitterer, der sich nicht auf Offiziöses beschränkt.
Twitterkönigin der Berliner Politik ist und bleibt Monika Herrmann: Die grüne Bürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg setzt manchmal mehrere Tweets pro Stunde ab und liefert sich argumentative Gefechte mit KritikerInnen. Gegenüber der taz begrüßte Herrmann die Idee einer twitternden Polizei: Das Medium sei sehr demokratisch und transparent. Wenn da alle Seiten mitmachten, könne es „interessant“ werden. „Als Userin bin ich gespannt.“ Natürlich werde Twitter immer auch interessengeleitet genutzt, weshalb Herrmann zu einer gesunden Vorsicht rät: „Man muss wissen, wie man es liest.“
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