Berlins Linke stimmt für Koalition: Weg frei für Rot-Grün-Rot
Die letzte Hürde ist genommen: Die Mitglieder der Linkspartei votieren mit einer dreiviertel Mehrheit für die erneute Koalition mit SPD und Grünen.
„Unsere Mitglieder haben sich mit großer Mehrheit für den Eintritt in die rot-grün-rote Koalition entschieden“, freute sich Schubert. Sie sprach von einem „klaren Auftrag“. Das gute Ergebnis gebe „Rückenwind für die aktuellen und kommenden Herausforderungen“. Die Parteichefin nannte unter anderem die Investitionsoffensive und die Überwindung der Wohnungslosigkeit bis 2030, aber auch die Umsetzung des Volksentscheids zur Enteigung großer Wohnungskonzerne. „Daran werden wir entschlossen und mit voller Kraft weiterarbeiten.“
Klaus Lederer, Berlins linker Kultursenator und Stellvertreter des Regierenden Bürgermeisters, sprach auf Twitter etwas weniger euphorisch von einem „soliden Ergebnis“ und einem „harten Mandat, die erfolgreiche Arbeit fortzusetzen“. Beteiligt an der Abstimmung haben sich mit 52 Prozent allerdings nur gut die Hälfte der Berliner Parteimitglieder.
Zustimmung bei SPD und Grünen größer
SPD und Grüne hatten bereits auf Parteitagen ihre Delegierten über den Koalitionsvertrag abstimmen lassen: Die Mehrheit dort lag jeweils über 90 Prozent. Bei der Linkspartei war eine so hohe Zustimmung aber nicht erwartet worden.
Denn die Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und Linken nach den Wahlen vom 26. September hatten länger gedauert als von den drei Parteien geplant. Insbesondere die Wohnungspolitik und der Umgang mit dem erfolgreichen Volksentscheid Deutsche Wohnen und Co. enteignen hatten für scharfe Kontroversen gesorgt. Kurzzeitig standen die Gespräche deswegen sogar auf der Kippe. Ende November stellten die drei Parteien schließlich ihren 150-seitigen Vertrag vor.
Anders als bei SPD und Grünen stieß dieser bei vielen Linkspartei-Mitgliedern auf teils massiven Widerspruch, insbesondere wegen der Kompromisse in der Wohnungspolitik und dem Verlust des Stadtentwicklungsressorts. Mehrere prominente Abgeordnetenhausmitglieder hatten deshalb früh ihr Nein angekündigt, darunter Mietenexpertin Katalin Gennburg. „Die SPD will allein über den Neubau die Wohnungspolitik steuern und das ist falsch“, hatte sie ihre Position im Gespräch mit der taz begründet.
Selbst klare Unterstützer*innen einer Fortsetzung der Koalition wie der Abgeordnete Tobias Schulze hatten erklärt, sie könnten die Kritik aus der Partei am Vertrag „nachvollziehen“. Schulze betonte im taz-Interview aber auch: „Es gibt im Koalitionsvertrag viele linke Leuchttürme“ und warb für eine Zustimmung.
Tatsächlich hatte kaum jemand im politischen Berlin erwartet, dass ein erneutes rot-grün-rotes Bündnis an der Linkspartei-Basis tatsächlich scheitern würde – dafür gilt die Partei immer noch als hierachisch organisiert. Aber ganz sicher war man sich eben auch nicht. Entsprechend erleichtert fielen die Reaktionen aus.
„Ich freue mich über das sehr klare, eindeutige Ergebnis des Mitgliederentscheids der Linken Berlin“, schrieb etwa SPD-Spitzenkandidatin Giffey auf Twitter und ergänzte: „Auf gute Zusammenarbeit!“
Empfohlener externer Inhalt
Am Montag will nun auch die SPD ihre Senator*innenriege vorstellen. Anders als Linke und Grüne, die je drei Posten vergeben dürfen, stellt die SPD vier Senator*innen. Die meisten davon sind neu: Bildungssenatorin Sandra Scheeres, Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci und Finanzsenator Matthias Kollatz hören auf; erstere freiwillig, letzterer weil sein Ressort künftig von den Grünen verwaltet wird. Unsicher ist auf SPD-Seite noch der Verbleib von Innensenator Andreas Geisel, der immer wieder auch als neuer Stadtentwicklungssenator gehandelt wird. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller ist in den Bundestag gewählt worden.
Wenn am Dienstag das Abgeordnetenhaus zusammentritt, wird es Giffey wählen. Sie selbst ernennt dann ihre Senator*innen. Wie stabil die neue Koalition ist, dürfte sich bereits in den ersten 100 Tagen zeigen: Laut Koalitionsvertrag muss der Senat innerhalb dieser Frist ein Gremium zusammen stellen, das ausloten soll, wie der erfolgreiche Enteignen-Volksentscheid umgesetzt werden kann. Über die Besetzung dieses Gremiums dürfte heftig gestritten werden – wie über die gesamte Enteignungsfrage bereits in den Koalitionsverhandlungen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!