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Berlins CDU-Kultursenator Joe ChialoEine Spur der Verwüstung

Marie Frank
Kommentar von Marie Frank

Nachdem er Berlins Kultur demoliert hat, könnte Joe Chialo nun in den Bund wechseln. Als Willkommensgruß bringt sein Haus noch die Theater auf die Palme.

Mater of Disaster: Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) bei einer Demonstration gegen seine Kürzungspolitik im Dezember 2024 Foto: Imago/Eventpress

E s kann schon als Demontage des Kulturstandorts Berlin bezeichnet werden, was die Senatskulturverwaltung derzeit veranstaltet. Erst die unverhältnismäßig hohen Haushaltskürzungen bei der Kulturförderung um 20 Prozent – was immerhin dem Jahresetat von allen drei Opernhäusern oder den fünf großen Stadttheatern plus Konzerthaus entspricht –, nun die Aufregung um die künftige Rechtsform der landeseigenen Theaterbühnen.

Schon bei dem großen Streichkonzert für das aktuelle Haushaltsjahr fragte sich die Kulturszene nicht zu Unrecht, ob sich Kultursenator Joe Chialo überhaupt für seinen Bereich einsetzt. Geredet hat der CDU-Politiker und ehemalige Universal-Manager mit den Kulturschaffenden jedenfalls nicht darüber.

Das tut er bis heute nicht. Chialo, der als Kulturstaatsminister für die neue Bundesregierung gehandelt wird, glänzt seit Monaten vor allem durch Abwesenheit. Stattdessen ist es seine Staatssekretärin, die Kulturmanagerin Sarah Wedl-Wilson, die derzeit im Rampenlicht steht. Dass auch sie sich dabei nicht mit Ruhm bekleckert, zeigt die aktuelle Theater-Debatte.

Zunächst sorgt Wedl-Wilson mit ihrer Mail an die Leitungen aller vier Schauspielbühnen sowie die Chefs des Berliner Ensembles und der Schaubühne – beides gemeinnützige GmbHs – über einen möglichen Rechtsformwechsel für Unruhe. Als die Panik vor einer Privatisierung der landeseigenen Theater allzu groß wird, rudert sie schließlich wieder zurück und bringt die unausgegorene Idee eines Stiftungsmodells ins Spiel.

Beschäftigte bleiben außen vor

Das alles geschieht auch hier wieder, ohne mit den betroffenen Beschäftigten zu reden. Was deren durch die Sparvorgaben ohnehin schon große Unsicherheit noch vergrößert und Ängste vor Entlassungen, Tarifflucht, Lohndumping und einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen schürt – und sogar den Berliner Hauptpersonalrat auf den Plan ruft.

Da die Kulturverwaltung jedoch alle Gesprächsangebote dieses nicht ganz unwichtigen Gremiums – das immerhin alle 130.000 Landesbeschäftigten vertritt – wie auch der Gewerkschaft ignoriert, blasen die Beschäftigtenvertretungen zum Widerstand gegen die Pläne und laden für den 29. April zu einer großen Versammlung in der Volksbühne.

Die Ignoranz und mangelnde Kommunikation der Senatskulturverwaltung und allen voran Joe Chialos gegenüber Berlins Kulturschaffenden ist nicht nur ein Schlag ins Gesicht der mehr als 150.000 Berliner*innen, die einen Kulturberuf ausüben – immerhin fast zehn Prozent der Erwerbstätigen. Die Planlosigkeit, mit der hier agiert wird, schadet auch der Kultur insgesamt und damit der ganzen Stadt.

Schließlich hat Berlin außer Kultur nicht besonders viel zu bieten – die 13 Millionen Tou­ris­t*in­nen im vergangenen Jahr kamen sicher nicht wegen der guten Currywurst hierher. Wenn also schon über Geld und Kultur geredet wird, sollte man nicht vernachlässigen, dass es sich dabei um einen wichtigen Wirtschaftsfaktor handelt.

„Dialog“ in Hinterzimmern

Die Spur der Verwüstung, die Joe Chialo seit seinem Antritt vor gut zwei Jahren hinterlässt und die jahrelange gute Zusammenarbeit zwischen Kulturverwaltung und Kulturszene unter seinem linken Amtsvorgänger Klaus Lederer zunichtemacht, ist auch dem Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) nicht entgangen.

Durch seinen „Kulturdialog“ mit den Spitzen der Berliner Bühnen versucht Wegner, der sich gern als kümmernder Landesvater inszeniert, verloren gegangenes Vertrauen wiederherzustellen. Dass dieser „Dialog“ in Hinterzimmern stattfindet, dürfte dem Ziel freilich nicht gerade dienlich sein.

Klar ist: Unter diesen Umständen Vertrauen aufzubauen wird schwierig und geht nicht über Nacht. Ein Anfang wäre, die Kürzungen in der angedachten Höhe, die ohne einen Kahlschlag in Berlins Kultur nicht machbar sind, wieder zurückzunehmen und realistische und nachhaltige Lösungen zu finden, die ja durchaus vorhanden sind.

Dann kann sich auch CDU-Mann Wegner als Retter der Kulturhauptstadt feiern, was mit Blick auf die Wahlen in Berlin im kommenden Jahr kein schlechter Schachzug wäre. Was Joe Chialo angeht, ist noch nicht ausgemacht, wo er größeres Unheil anrichten kann – als Kultursenator oder als Kulturstaatsminister. Das werden die Iden des Merz zeigen.

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Marie Frank
Leiterin taz.berlin
Leiterin taz Berlin und Redakteurin für soziale Bewegungen, Migration und soziale Gerechtigkeit. Hat politische Theorie studiert, ist aber mehr an der Praxis interessiert.
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