Berliner Wohnungsmarkt: Landeseigene erhöhen die Miete
Mieterverein und Linke kritisieren die neuen Mieterhöhung bei den landeseigenen Wohnungsgesellschaften als unsozial. Der BBU hält sie für notwendig.

Auch der mietenpolitische Sprecher der Linksfraktion Niklas Schenker, durch dessen parlamentarische Anfrage die Erhöhungen am Dienstag bekannt geworden waren, sprach von Doppelzündigkeit. „Während die SPD auf ihrem Parteitag wohlfeile Beschlüsse fasst, den Anstieg der Mieten auf 6 Prozent innerhalb von drei Jahren zu begrenzen, genehmigt der SPD-Wohnungssenator Gaebler Mietsteigerungen um fast das Doppelte.“
Schenker erklärte, dass die Kooperationsvereinbarung zwischen Senat und den sechs Landeseigenen, die kurz nach dem Berliner Regierungswechsel im Herbst 2023 neu verhandelt worden war, viel „unternehmerfreundlicher“ sei als die vorige. Unter Rot-Grün-Rot hatte es noch einen Mietenstopp für die Landeseigenen gegeben.
Laut aktueller Kooperationsvereinbaren dürfen die LWU nicht nur die Miete in ihrem jeweiligen Gesamtbestand um 2,9 Prozent pro Jahr erhöhen, die Miete in einzelnen Wohnungen kann um bis zu 11 Prozent steigen. Mit diesem „Trick“, so Schenker, kämen die Landeseigenen in drei Jahren auf fast marktübliche Steigerungen.
Senat lässt Spielraum
Auch beim Mieterverein ärgert man sich, dass der Senat den LWU seit der neuen Vereinbarung so viel Spielraum lässt. „Sie machen das, was sie dürfen und können“; konstatierte Geschäftsführerin Ulrike Hamann-Onnertz. Und das gehe aktuell „weit über das hinaus, was vorher möglich war“ – unter R2G.
Am Dienstag war durch die Veröffentlichung von Schenkers Anfrage bekannt geworden, dass fast alle LWU (außer der WBM) bis Februar 2026 die Mieten für 112.000 Wohnungen erhöhen wollen. Aus der Anfrage geht zudem hervor, dass alle sechs – Gesobau, Gebowag, Hogowe, Stadt und Land, WBM und Degewo – seit April 2023 bereits die Mieten für 285.000 Wohnungen erhöht haben. „Kai Wegner ist Mieterhöhungsweltmeister“, findet Schenker daher.
Insgesamt haben die Sechs einen Bestand von 370.000 Wohnungen, das sind knapp 22 Prozent der 1,7 Millionen Berliner Mietwohnungen. Perspektivisch will der Senat den landeseigenen Bestand auf 500.000 Wohnungen erhöhen.
Unter anderem für den Neubau seien die Mieterhöhungen auch tatsächlich notwendig, sagte ein Sprecher der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, auf taz-Anfrage. Die LWU hätten „einen sozialen Auftrag“, bestätigt er. „Gleichzeitig bauen sie dringend benötige bezahlbare Wohnungen und sind dem Berliner Ziel der Klimaneutralität bis 2045 verpflichtet.“ Diese Ziele müssten mit finanziellen Mitteln ausgestattet werden. Zugleich gelte es, „Überforderungen bei den Mieten zu vermeiden“.
Absenkung beantragen?
David Eberhart, Sprecher des Verbands Berlin-Brandenburger Wohnungsunternehmen (BBU), sagte, eine „regelmäßige Anpassung“ sei „unumgänglich, um inflations- und auflagenbedingt steigende Kosten für Instandhaltung, Modernisierung und Bewirtschaftung von Wohnungen bewältigen zu können“. Auch er verwies darauf, dass Mieter bei Überforderung eine Absenkung beantragen könnten.
Allerdings scheint das Instrument, dass „Überforderungen“ wegen zu hoher Miete verhindern soll, nicht zu funktionieren. Das „Leistbarkeitsversprechen“ besagt laut Kooperationsvereinbarung, dass Haushalte eine MIetminderung bekommen, wenn ihre Nettokaltmiete mehr als 27 Prozent des Haushaltseinkommens beträgt. Doch diese Möglichkeit wird nur selten beantragt – und noch seltener bewilligt. Im ersten Quartal 2024 (neuere Zahlen gibt es offenbar nicht) gab es laut Stadtentwicklungsverwaltung 468 Anträge von Mietern, wovon 51 bewilligt wurden.
Schenker hat die Vermutung, dass viele Mieter das „Leistbarkeitsversprechen“ gar nicht kennen – sonst würden es sicher mehr beantragen. Zudem, sagte Hamann-Onnertz vom Mieterverein, gebe es einige Hürden zu überwinden. Mieter, die eine Deckelung beantragen wollen, müssten sämtliche Einkommensquellen offenlegen, auch alles Ersparte, und zuvor andere Möglichkeiten wie Wohngeld ausgeschöpft haben. „Die Unternehmen machen es den Menschen schwierig, eine Verminderung ihrer Miete zu bekommen.“
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