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■ Berliner Verlierer: Dem Sozialdemokraten Klaus Böger hat seine Disziplin nichts genutzt
In seinem Arbeitszimmer hängt ein Bild von Friedrich Ebert. Der „Zuchtmeister“ der Sozialdemokraten in der Weimarer Republik schaut ihm geradewegs über die Schulter. Und wenn Klaus Böger, Fraktionschef der Berliner SPD, sich tief über seinen Schreibtisch beugt, sieht es aus, als ob er unter Eberts strengen Blicken ganz zu dessen Erfüllungsgehilfen mutiert: Seit 1994 führt Böger die SPD-Fraktion im Preußischen Landtag mit starker, ruhiger Hand. Ausreißer gibt es kaum. Und auf die Regierungsbank wird nach wie vor geschielt. So hat es Ebert auch gemacht.
Seit Sonntag ist auch dem 54-jährigen Pfeifenraucher Böger klar, dass mit Disziplin allein keine Wahl zu gewinnen ist. Was selten genug passiert, dass Böger laut wird, ist geschehen. Während Kandidat Momper samt Anhang „das knappe Ergebnis“ noch feierte, ließ Böger den Knüppel aus dem Sack und sprach von „Niederlage“, „Verantwortlichen“ – und „Konsequenzen“. Dass diese am Ende so aussehen, dass Böger nicht nur Zuchtmeister bleibt, sondern der neue SPD-Spitzenkandidat werden könnte, ist denkbar.
Böger hat es schon einmal versucht, war das Rennen aber falsch angegangen. Als Mann der Mitte, der bedächtig, ja manchmal dröge wirkt, war er ins Rennen um die SPD-Kandidatur gegangen. Pech nur, dass ihn kaum einer kannte. Er, der die Partei nach der verheerenden Niederlage 1995 (23,6 Prozent) zusammengehalten hatte, in die Große Koalition führte und dort die Fäden zog, war der Öffentlichkeit fast unbekannt.Und schlimmer noch: Im Landtag stahl ihm Eberhard Diepgen die Schau, in der Partei der SPD-Senator und spätere Parteichef Peter Strieder. Der blasse Böger verlor die Kandidatenwahl der SPD gegen den populären Walter Momper.
Jetzt gibt sich der Zuchtmeister Böger kämpferisch und greift noch einmal an. Aber er muss mehr bringen als Lautstärke, sonst hört sich (fast) alles ist wie gehabt an: erst Große Koalition, dann rot-grüne Perspektive, und natürlich gäbe es „keine Koalition mit der PDS“. So wird man kein zweiter Friedrich Ebert.
Rolf Lautenschläger
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