Berliner Terminprobleme: Zu Gast bei Christen
CDU-Politiker empfangen den Dalai Lama und werfen Steinmeier "Duckmäusertum" vor. Auch die SPD-Politiker sind sich uneins, wie mit dem Religionsoberhaupt umzugehen ist.
BOCHUM taz Starke Worte in Bochum, Streit in Berlin: Als protokollarisch ranghöchster Politiker hat Bundestagspräsident Norbert Lammert in Bochum für eine stärkere Autonomie Tibets geworben. Wo die Menschenrechte gefährdet seien, müssten "Demokraten zusammenstehen", sagte er nach einem Treffen mit dem Dalai Lama im Renaissance-Hotel.
Wie Hessens Ministerpräsident Roland Koch und NRW-Regierungschef Jürgen Rüttgers (beide CDU) hatte Lammert den Dalai Lama bereits zu Beginn seines Deutschlandbesuchs getroffen. Im Anschluss kritisierte besonders Koch die unklare Haltung der Bundesregierung in der Tibet-Frage, dies berge die Gefahr von "Missverständnissen zur Achtung der Menschenrechte". Gleichzeitig warnte er vor "Duckmäusertum". Die chinesische Regierung könne man "nur mit einer klaren, ehrlichen Meinung" beeindrucken.
In Berlin aber will kein führender Christdemokrat den Dalai Lama empfangen. Auch Bundestagspräsident Lammert begnügte sich am Freitag mit einem zweiten Treffen wiederum in seiner Heimatstadt Bochum - und betonte im RBB-Inforadio, Deutschland habe "keine unmittelbaren Einflussmöglichkeiten" auf China.
Dennoch hagelte es aus der CDU Kritik an SPD-Außenminister Steinmeier, der den Dalai Lama bei seinem Berlin-Besuch am Montag ebenso wenig empfangen wird wie Kanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Horst Köhler. So warf Norbert Röttgen, Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Steinmeier vor, er wolle in der SPD "so etwas wie eine Kontaktsperre bis in die Peinlichkeiten hinein" durchsetzen.
Denn anstelle Steinmeiers, der in der Tibet-Frage auf einen diskreten diplomatischen Diskurs setzt, wird SPD-Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul den Dalai Lama als einzige Vertreterin der Bundesregierung treffen. Doch statt zur politischen Profilierung nutzen die Sozialdemokraten das Treffen zur Selbstzerfleischung: Steinmeier ist verärgert, weil er nicht vorab darüber informiert war, wie das Auswärtige Amt mitteilte. Der SPD-Verteidigungsexperte Jörg Thießen hält das Treffen gar für "einen schweren Fehler". Angeheizt wurde der Streit außerdem durch schnell dementierte Meldungen, Bundeskanzlerin Merkel habe Wieczorek-Zeul zu einem Empfang des Dalai Lama aufgefordert. Gleichzeitig wies Regierungssprecher Thomas Steg Berichte zurück, die Kanzlerin habe Druck auf Bundespräsident Köhler ausgeübt, den Dalai Lama nicht zu treffen.
Der gab sich wie gewohnt sanftmütig. Zwar bekräftigte er bei einem Empfang im Rathaus seine Forderung nach Autonomie und mahnte zur Gewaltlosigkeit. Aber für die vorgeschobenen Terminprobleme von Steinmeier, Köhler und anderen zeigte der Dalai Lama Verständnis. Nach seinem Treffen mit der Kanzlerin im September hätten sich für sie "einige Komplikationen" ergeben. "Das tut mir leid."
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