Berliner Szenen: Gemeinsam einsam
Wer ist Solitär? Wer ist allein?
„Spontan Bier trinken? Gleich Peppi Guggenheim?“, schicke ich per SMS rum – und ernte nur Absagen: Frischgebackene Eltern sind lieber für sich, für NichtneuköllnerInnen liegt die Kneipe nahe der Sonnenallee zu weit weg, andere finden die Einladung zu spontan. Ach, und für NichtraucherInnen ist die Kneipe eine Folterkammer.
Ich sitze dann allein an der Theke. Noch bevor ich „Hallo“ sage, steht eine Flasche Bier meiner Lieblingsmarke vor mir. „Schreibst du wieder deine Rezepte?“, fragt der Barmann, als ich ihn frage, ob er Papier und Stift für mich hätte. Er gibt mir einen dieser Notizblöcke, die als Rechnungszettel für Stammkunde dienen.
Auch wenn ich es immer wieder mag, in Kneipen und Cafés allein zu sein: Samstagnachts fühlt sich es anders an. „Solitäre“ werden von Menschen mit Begleitung als Rarität oder mitleidsvoll beobachtet, von EinzelgängerInnen als ihresgleichen wahrgenommen. Ich fühle mich in keine dieser Kategorien zu Hause. Manche von ihnen schauen aber ins Leere vor sich hin oder in ihre Handys, schützen sich damit vor fremden Blicken und versuchen beschäftigt zu tun, mit der Welt irgendwie verbunden.
Es ist nicht schwer zu erkennen, wer auf jemanden wartet, wer dies gern hätte und wer einfach allein da ist, wie jeden Abend. Gemütlicher als daheim allein ist einsam gemeinsam jedenfalls.
Ein Geburtstagslied wird an einem runden Tisch gesungen, und die Gäste essen aus einem Topf. Ein Rosenverkäufer kommt herein. Ein Mann mit einer Jacke, auf der Sea Shepherd steht, kommt aus dem Raum, der in ein U-Boot umgewandelt wurde. Schilder mit „Gute Nachricht! Gin Tonic“ und „Mexicana ham wa wida“ hängen überall. Die Frau, die neben mir – auch allein – sitzt, bietet mir eine Zigarette an. Wir sagen nichts, aber wir rauchen eine Weile zusammen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!