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Berliner Referendum zum Tempelhofer FeldKeiner will's gewesen sein

SPD und CDU schieben sich die Schuld an der Niederlage zu, wollen aber weiter an einem Strang ziehen. Ein Beirat soll über neue Vorschläge entscheiden.

Auf dem Feld dagegen geht's ganz harmonisch zu ... Bild: dpa

BERLIN taz | In der rot-schwarzen Koalition gibt es nach der für sie verlorenen Tempelhof-Abstimmung gegenseitige Schuldzuweisungen – und zugleich den Versuch, das als bloße Rückschau und nicht als Koalitionskrise darzustellen.

„Die vergangenen Wochen sind mit dem Volksentscheid abgeschlossen“, mühte sich Senatssprecher Richard Meng am Dienstag. „Das Thema ist erledigt.“ Die Grünen sehen das anders: Sie fordern vom derzeit in Peking weilenden Klaus Wowereit eine Regierungserklärung. Nächste Woche soll er vermitteln, wie er ohne Vertrauen der Berliner weiter regieren will.

Die Schuldzuweisungen hatten sich nach der Senatssitzung am Vormittag fortgesetzt. „Einige hätten da mehr tun können“, stimmte Stadtentwicklungssenator Michael Müller Wowereits Kritik an der CDU zu. Der hatte zuvor in der Berliner Zeitung gesagt, er hätte vom Koalitionspartner mehr Engagement erwartet. CDU-Generalsekretär Kai Wegner wiederum hatte Wowereit vorgehalten, mit seinen umstrittenen Bibliotheksplänen für das Feld zur Niederlage beigetragen zu haben: „Es war ein Fehler, dass der Regierende an seinem Lieblingsprojekt so starr festgehalten hat.“

Müller kritisierte auch die örtliche CDU in Tempelhof, in der man sich für einen Planungsstopp ausgesprochen habe. „Da fragen sich die Wähler dann schon, was die Haltung des rot-schwarzen Senats ist“, sagte er.

Aus der vorangehenden Senatssitzung berichtete Müller zwar, CDU-Chef Frank Henkel habe zum Ausdruck gebracht, „dass wir nach wie vor an einem Strang ziehen“. Doch zu der Frage, warum die CDU nicht jemanden mit vor die Journalisten geschickt habe, um das an seiner Seite zu unterstreichen, hatte Müller auch keine Erklärung – „ich hätte mich darüber gefreut“.

„Henkels Kavallerie?“

Knapp 40 Stunden nach Bekanntwerden der Niederlage wirkte der Senator gefasst, ließ sich bei der Pressekonferenz sogar auf Witzeleien an, griff etwa den Vorschlag einer Journalistin auf, jetzt, da nun nichts mehr fest verankert werden darf, mobile Bäume auf dem Feld aufzustellen. Und schlug auf die Frage, wer denn für die Einhaltung des Gesetzes zuständig sei, spaßeshalber vor: „Henkels Kavallerie?“

Ein Rücktritt kommt für ihn nicht infrage, eher Tiefenpsychologisches: „Man muss offenbar zur Kenntnis nehmen, dass viele Bürger Veränderungsprozesse gar nicht so positiv empfinden wie ich.“ Viele würden sich stattdessen davon bedroht fühlen. Das ist für Müller von grundsätzlicher Bedeutung, weil auch in anderen Bereichen als Wohnungsbau – bei der inneren Sicherheit, bei der Bildung, im Gesundheitswesen – Strukturveränderungen anstünden.

Hinsichtlich der Zukunft des Feldes gibt es aus Müllers Sicht nicht viel zu interpretieren, weil das beim Volksentscheid beschlossene Gesetz klar sei. „Innerhalb des zentralen Wiesenbereichs passiert gar nicht, im äußeren fast gar nichts.“ Für den geringen verbliebenen Spielraum will Müller zu Vorschlägen aufrufen, die unabhängige Juristen prüfen sollen. Wenn sie im Sinne des Gesetzes sind, soll der seit August 2013 bestehende Beirat von Parknutzern darüber entscheiden.

Für Müller ist das auch eine Frage der Zweckmäßigkeit: Was bringe etwa ein Fußballfeld, wenn da im Winter ab halb fünf mangels Flutlicht keiner mehr trainieren könne? Beim muslimischen Friedhof, der mehr Platz braucht, soll zwar eine Erweiterung möglich sein, aber ohne Zaun drumherum. Da soll die Gemeinde entscheiden, ob das für sie akzeptabel ist.

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4 Kommentare

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  • Direkte Demokratie: Das Stimm-Volk kann sie bereits (und hat es am Wochenende bewiesen), die Parteien offenbar (noch) nicht.

     

    Da streiten sich Koalitionäre über zu viel oder zu wenig Engagement bzw. gehen auf Distanz zum Partner, damit man selbst nicht mit einer Niederlage in Verbindung gebracht wird (wie es zurzeit die CDU macht). Und die Opposition (in diesem Falle die Grünen) fordern Rücktritte. Wie originell ist dass denn???!!!

    Sie alle haben noch nicht begriffen, dass (Sach-)Abstimmungen eben nicht nur partiepolitisch entschieden werden. Dass sie immer auch benutzt (andere würden sagen: missbraucht) werden, um „denen da oben“ eins auszuwischen, liegt in der „Natur“ (oder „Kultur“) des Menschen: wer wenig Macht hat, nutzt sie, wie er kann.

    Und wenn Bezirksparteien anders entscheiden (in diesem Falle aus direkter Betroffenheit) als die Landespartei, ist das gelebte Demokratie. Im Gegensatz zu Kadavergehorsam.

     

    Im konkreten Fall hat sich keine der (fünf im Abgeordnetenhaus vertretenen) Parteien mit Ruhm bekleckert. Die Koalition unfähig zu erkennen, dass sie bei der Bevölkerung keine Mehrheit für ihre Pläne findet. Die Opposition nicht in der Lage, das Instrument der Volksbefragung proaktiv einzusetzen, und somit den Senat unter Druck zu setzen. Note ungenügend, setzen!

     

    PS: Dabei müssten sie gar nicht weit in die Ferne schweifen – ein Blick Richtung Süden in die Schweiz und sie würden erkennen, wie viel entspannter dort mit“Volksabstimmungen“ umgegangen wird. Vielleicht unternimmt ja Klaus Wowereit mal eine Reise in den Süden und besucht sein Pendant in Zürich: die offen lesbisch lebende Stadtpräsidentin (ebenfalls Sozialdemokratin). Mit der nötigen Demut gäbe es da bestimmt ganz viel zu lernen. Und vielleicht nimmt er auch die anderen Parteivorsitzenden gleich mit.

    • @Direkt_Demokrat:

      Nun noch all das was dazu gehört anpacken – zur Inspiration eine Übersicht auf spojeni.org/d-ch-cs – Stichworte links auf Tschechisch, rechts auf Deutsch, mit Links zur Quelle DHS.ch auf Deutsch/Französich/Italienisch.

       

      PS – Ein Regierender, eine Regierende gehören auch nicht dazu...

  • Die Zentrale Landesbibliothek kann sehr gut in den großzügien Hallen des großen Flughafengebäudes integriert werden. Sogar die tiefen, weitläufigen Kellergeschosse sind höchst interessant und vielfältig nutzbar.

     

    Berlin hat sehr viele gute, kreative und auch junge innovative Architekt*nnen, Außen- und Innenarchtitekt*innen! Die sitzen schon lange in den Startlöchern. Es müssen keine überteuerten Star-Architekten sein! Gleiche Chancen!

     

    Der Senat von Berlin könnte Millionen Haushaltskosten sparen, wenn er sich und viele andere dafür einsetzt, daß das gesamte einzigartige Gelände zum Europa-Kulturerbe erklärt und etabliert wird! Flughafengebäude, Rollbahnen, Außenanlagen, einfach a l l e s , das gesamte denkmalgeschützte Areal als Europa-Kulturerbe einschließlich Mahnmal ("Luftbrücke", Nazi-Widerstand, Otto Lilienthal etc.).

     

    Die Finanzierung dieser Gedenk-Mahn-Kulturstätte kann und muß dann die EU und der Bundeshaushalt übernehmen. Berlin kann die Einsparung für andere wichtige städtische Zwecke verwenden: Bildung, Kitas und Sozialer Wohnungsbau, Förderung des Kleingewerbes etc., dadurch Schaffung von langfristigen Arbeitsplätzen für die Berliner*innen und aus aller Welt!

     

    Das ist sehr möglich. Warum denn nicht?

  • Ich habe ausschließlich gegen den Neubau der Zentralen Landesbibliothek gestimmt. Möglicherweise ist der Neubau der ZLB sogar notwenig (obwohl ich als regelmäßiger Nutzer der ZLB keinen Mangel erkennen kann). Es geht hier jedoch nur um ein Prestigeprojekt des regierenden Bürgermeister. Wenn und soweit die East Side Gallery gerettet ist, die U-Bahn gebaut, die Oper modernisiert und der Flughafen fertig gestellt - und sämtliche Projekte gegenfinanziert sind, kann über den Neubau gerne gesprochen werden.