Berliner Radwegeplanung: Einfach zu viel Kredit verspielt
Kein Ressort im rot-rot-grünen Senat hat die Erwartungen so enttäuscht wie die Verkehrsverwaltung von Senatorin Regine Günther (Grüne).
S ie und ihre Verwaltung würden Neues versuchen, und dieses Neue könne Fehler beinhalten, war am Dienstag von Regine Günther zu hören. „Und dafür brauchen wir Toleranz und nicht nur Häme.“ Da hat sie erst mal grundsätzlich recht, die Verkehrssenatorin von den Grünen. Bloß gibt es kein Ressort im gesamten Senat, das die Erwartungen in einem Feld so sehr enttäuscht hat wie Günthers Verwaltung beim Thema Radverkehr. Das rechtfertigt immer noch keine Häme, wohl aber harte Kritik.
Auf solche Kritik heißt es aus Günthers Lager, so etwas brauche Zeit, das müsse ordentlich geplant sein. Stimmt auch. Aber gerade beim jüngsten Aufreger, den umstrittenen neuen Spurbreiten auf der Oberbaumbrücke, hat ihre Senatsverwaltung ja durchaus nicht überhastet geplant. Und dennoch steht am Ende eine simple Einsicht: dass die Autos breiter geworden seien und nicht mehr zu den weiter aktuellen Vorgaben der Verwaltung passen.
Da ist es keine Häme, wenn hier nun der Satz folgt: Das ist einfach peinlich. Eine ganze Verwaltung verplant sich bei einer Sache, wo sich per Zollstock nachmessen lässt, dass da was nicht passt.
Günther ist 2016 zwar mit vielen Erwartungen, aber auch mit viel Kredit gestartet. Wenn sie schnell etwas zum Vorzeigen gehabt hätte, hätten ihr viele der heutigen Kritiker zugestanden, dass dabei auch mal ein Fehler passieren kann. Die Toleranz, die Günther nun fordert, sie war da.
Hätte sie zügig die abgepollerten Schutzstreifen dort errichten lassen, wo es dem Autoverkehr wehtut, aber sofort Radler schützt, und hätte sie vielleicht am Ende wieder ein Stück abbauen müssen – wer kämpft, kann verlieren. Bloß ist das nicht passiert. Und wer die längste und überflüssigste Pollerstrecke im Südwesten neben einem breiten ungenutzten Fußweg langradelt, dem ist nicht nach Häme, sondern nach Heulen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen