Berliner Polizei und NSU: Die Pannenserie geht weiter
Auch ein zweiter Berliner V-Mann hatte wohl engere Bezüge zur NSU-Umgebung als bekannt. Die Opposition attackiert die „Geheimhaltung“ der Innenverwaltung.
BERLIN taz | Das Thema V-Männer und NSU lässt Berlin nicht los. Am Mittwochmorgen informierte Innenstaatssekretär Bernd Krömer (CDU) kurzfristig die innenpolitischen Sprecher der Abgeordnetenhausfraktionen, dass neue V-Mann-Akten zum NSU-Komplex aufgetaucht seien.
Diesmal geht es um „VP 620“, einen V-Mann aus Sachsen, dessen Namen die Behörden geheim halten. Er soll von 2001 bis 2003 Informant des Berliner LKAs gewesen sein, angesetzt auf die rechte Musikszene. Laut Krömer wurden nun fünf neue „Treffberichte“ zur „VP 620“ bekannt. Gemeint sind Bezüge des V-Manns zu Personen aus dem NSU-Umfeld. Krömer sagte aber, es ergäben sich „keine neuen Anhaltspunke für die Aufklärung der NSU-Mordserie“.
V-Mann „620“ war erst im Februar öffentlich bekanntgeworden. Bereits im Oktober hatte die Innenverwaltung jedoch den NSU-Untersuchungsausschuss im Bundestag über den Informanten informiert, da allerdings nur von zwei Bezügen von „VP 620“ zum NSU-Umfeld berichtet. Offenbar wurden damals die anderen fünf Fundstellen versehentlich nicht in den Bericht übertragen. Dies, so Krömer, sei erst am Montag nach „nochmaliger Sichtung“ aufgefallen.
Die fünf Dokumente würden nun „unverzüglich“ an den NSU-Ausschuss des Bundestags weitergegeben. Auch die Landesparlamentarier könnten die vertraulichen Akten im Geheimschutzraum einsehen Die Opposition kritisierte die Innenverwaltung scharf.
Eine „scheibchenweise Informationspolitik“
Es sei nicht nachvollziehbar, so die Grünen-Innenexpertin Clara Herrmann, warum im Oktober, der Hochphase der Berliner NSU-Affäre, die Liste nicht vollständige übermittelt wurde. Sie warf Innensenator Frank Henkel (CDU) „Geheimhaltung“ und eine „scheibchenweise Informationspolitik“ vor.
Die Grünen hatten bereits vor Wochen einen Antrag auf Akteneinsicht zu V-Mann „620“ gestellt. Auch Piraten-Fraktionschef Christopher Lauer sprach von einem „neuen Tiefpunkt“ in der NSU-Pannenserie. „Wie kann es sein, dass es immer wieder im Bereich Rechtsterrorismus zu solch eklatanten Fehlern kommt?“, fragte Lauer. Henkel dürfe solche Verfehlungen in seiner Behörde nicht mehr tolerieren.
Bereits im letzten Herbst war publik geworden, dass das Berliner LKA jahrelang einen Bekannten des Jenaer Neonazi-Trios als V-Mann hielt: Thomas S. Er wie auch Informant „620“ sollen dem LKA später Hinweise auf den NSU-Kontaktmann Jan W. gegeben haben. Nur wurden die Tipps, zumindest teilweise, wohl nicht weitergegeben.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator