piwik no script img

Berliner Ostcity autofreiFußgänger statt Autos

Der Bezirk Mitte testet die Verkehrswende an diesem Wochenende. Geschäfte am Sonntag offen. Inhaber erhoffen sich Auftrieb.

Ohne Autos vielleicht nicht mehr ganz so hässlich Foto: dpa

Einen Vorgeschmack darauf, wie sich ein autofreies Berlin anfühlen könnte, wird es an diesem Wochenende in der Friedrichstraße geben. Samstag und Sonntag wird der Bereich zwischen Mohrenstraße und Französischer Straße für den Autoverkehr gesperrt; dafür gibt es ein Straßenfest mit vielfältigem Programm. Die Aktion ist ein Testlauf für autofreie Verkehrskonzepte in Mitte und soll gleichzeitig die Attraktivität der kriselnden Einkaufsmeile Friedrichstraße wiederherstellen.

Schon lange machen zivilgesellschaftliche Organisationen Druck, die Verkehrswende in Mitte voranzubringen. „Die Menschen sollen erleben, wie schön ruhig es ohne Auto ist“, erklärt Ragnhild Sørensen vom Verein Changing Cities, der aus dem Volksentscheid Fahrrad hervorgegangen ist. „Von der Friedrichstraße aus können sich autofreie Zonen in der Stadt ausweiten.“

Ursprünglich war auch der Boulevard Unter den Linden im Gespräch, doch Bezirksamt, Einzelhandel und Anwohner*innen einigten sich auf einen kleinen Abschnitt der Friedrichstraße für den Testlauf. Dank guter Ausweichmöglichkeiten und genügend Parkmöglichkeiten in der Umgebung sei die Friedrichstraße dafür relativ unproblematisch, so Sørensen.

Für den zweiten Advent plant das Bezirksamt Mitte eine Wiederholung des autofreien Wochenendes. 2020 soll es dann einen mehrwöchigen Versuch geben, bei dem die Auswirkungen auf den umliegenden Verkehr wissenschaftlich evaluiert werden. „Bei diesem Senat muss man über jeden kleinen Schritt froh sein“, so die Aktivistin ­Sørensen.

Hoffnung auf Comeback

Als positiven Nebeneffekt erhoffen sich ansässige Geschäftsleute und der Bezirk eine Belebung der Einkaufsmeile, die mit schwindender Attraktivität und viel Leerstand zu kämpfen hat. „Zurzeit ist die Friedrichstraße vor allem eines: ungemütlich, laut, nicht wirklich einladend“, meint der Bezirksbürgermeister von Berlin-Mitte, Stephan von Dassel (Grüne).

Um das wenigstens für ein Wochenende zu ändern, hat sich der Bezirk einiges ausgedacht. Unter dem malerischen Motto „Friedrich, the Flanêur“ eröffnet von Dassel das Straßenfest am Samstag um 10.30 Uhr im Edelkaufhaus Galeries Lafayette. Danach gibt es den ganzen Samstag über Tanz und Gesang vor dem Russischen Haus. Zudem gibt es Foodtrucks, einen Bücherbus und Showcases mehrerer junger Berliner Labels zum Thema Nachhaltigkeit und Mode. Der Sonntag ist zudem bis 18 Uhr verkaufsoffen.

„Es muss mal was passieren“, findet auch Yvonne, die nur ihren Vornamen nennt. Sie ist Storemanagerin im Escada an der Friedrichstraße. Der Attraktivitätsverlust der Friedrichstraße sei deutlich zu spüren, deshalb stehe sie dem Straßenfest sehr positiv gegenüber. „Wir erwarten viele Gäste.“ Befürchtungen, dass Kunden ausbleiben, weil sie nicht parken können, habe sie nicht. Andere sehen dem Wochenende weniger enthusiastisch entgegen. Eine Mitarbeiterin eines Schokoladengeschäfts, die ihren Namen nicht nennen will, glaubt nicht, dass dauerhafte Autofreiheit einen nachhaltigen Effekt haben würde. „Es gibt hier weder Bäume noch Bänke“, dazu komme die Konkurrenz durch den Onlinehandel und die nahe gelegene Mall of Berlin. Sørensen hingegen ist überzeugt: „Alle Daten und Statistiken sagen: Autofrei bedeutet mehr Umsatz.“

40.000 mal Danke!

40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare