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Berliner MaßregelvollzugHungern für humane Unterbringung

Die Zustände im Krankenhaus für Maßregelvollzug sind schon länger katastrophal. Um das zu ändern, ist eine Patientin in den Hungerstreik getreten.

Im Krankenhaus für Maßregelvollzug sind mehr Menschen untergebracht als es Betten gibt Foto: Jürgen Ritter/imago

Berlin taz | Hinter hohen Zäunen führt das Krankenhaus für Maßregelvollzug (KMV) auf dem Gelände der früheren Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik in Reinickendorf ein abgeschottetes Dasein. Die Unterbringungssituation, bedingt durch Überbelegung und fehlendes Personal, ist katastrophal, auch von den politisch Verantwortlichen wird das nicht geleugnet. Nun regt sich in der Patientenschaft Widerstand.

Eine 51-jährige Patientin bestätigte am Sonntag auf telefonische Nachfrage der taz, dass sie sich seit nunmehr neun Tagen im unbefristeten Hungerstreik befindet. Ihr umfassender Forderungskatalog liegt der taz vor. Die Zustände seien kaum noch auszuhalten, sagt Valerie K. (Name geändert) – nicht nur für sie. „Es geht hier um uns alle.“ Einige ihrer Mitpatientinnen seien schon sehr lange im KMV, sie „leiden wirklich unter diesen Bedingungen“.

Valerie K. ist von Beruf Erzieherin und befindet sich laut eigenen Angaben seit rund sechs Monaten im Maßregelvollzug. Bis zu ihrer Gerichtsverhandlung, bei der ihr Körperverletzung vorgeworfen werde, sei sie vorläufig im KMV untergebracht. Der Maßregelvollzug ist eine freiheitsentziehende Unterbringung für verurteilte Straftäter, die, etwa wegen Drogen- oder Alkoholsucht oder psychischer Krankheiten, nicht oder nur vermindert schuldfähig sind.

Stand August dieses Jahres waren im KMV 613 Patienten untergebracht – es gibt aber nur 541 ordnungsbehördlich genehmigte Betten. Wie die Senatsverwaltung für Gesundheit der taz seinerzeit mitteilte, ist die Folge, dass die Bettenzahl in den Zimmern – eigentlich zumeist Zwei- oder Dreibettzimmer – erhöht wurde. Es komme auch vor, dass Patientinnen und Patienten „kurzfristig auf einer Matratze übernachten“ müssten.

Überbelegung und massiver Personalmangel

Der Präsident der Berliner Ärztekammer, Peter Bobbert, hatte nach einem Besuch im KMV Anfang des Jahres moniert, dass die Unterbringung zum Teil menschenunwürdig und die Arbeitsbedingungen untragbar seien.

Zentrales Problem sei der mangelnde Platz in den veralteten Gebäuden sowie zu wenig Personal. Die Patienten könnten so nicht angemessen versorgt werden. Und das, obwohl sie im Schnitt acht Jahre im KMV verblieben. Die schwierige Situation habe dazu geführt, dass zahlreiche Mitarbeiter in den vergangenen Jahren gekündigt hätten.

Die Überbelegung führt auch immer wieder dazu, dass Verurteilte die Maßregel nur mit Verspätung antreten können. Einige mussten wegen Platzmangels auch aus der Übergangshaft freigelassen werden.

Im KMV gibt es neben reinen Männerstationen zwei gemischte und eine Frauenstation. Zehn Prozent der Untergebrachten sind Frauen. Valerie K.s 15 Punkte umfassende Forderungen beziehen sich auf die Frauenstation, auf der sie sich selbst befindet. Auch dort habe die Überbelegung dazu geführt, dass eine Frau statt in einem richtigen Bett auf einer Matratze schlafe und eine andere in einem Raum, der eigentlich für die Isolation vorbehalten sei, so K. am Sonntag.

Forderungskatalog mit 15 Punkten

Die Gesamtsituation sei so, dass es zu wenige Pflegekräfte und Ärzte gebe, sagt Valerie K.. Ebenso zu wenige Sport- und Therapieangebote. Außerdem hätten die Frauen nicht so oft Hofgang wie die Männer, so die 51-Jährige, und fordert eine Gleichbehandlung. Und: täglich frisches Gemüse und reifes Obst.

Gefragt, was für sie das Schlimmste sei, sagt K.: mangelnder Respekt des Pflegepersonals gegenüber den Patientinnen. Sie empfinde es als Machtmissbrauch, wenn die Insassinnen unter Druck gesetzt würden, ihre Medikamente zu nehmen. Auch die persönliche Ansprache und der Umgang sei oft grenzwertig.

Drastisch sei auch die lange Wartezeit von durchschnittlich zwei Wochen auf einen Arzttermin bei akuten Beschwerden. Das KMV sei kein Krankenhaus, sondern „ein Krankmachhaus“, bringt es K. auf den Punkt

Nach einer Reaktion auf ihren Hungerstreik gefragt, sagt K., dass der Stationsleiter mit ihr ein längeres Gespräch geführt habe. Er habe sich dafür spürbar Zeit genommen und versprochen, die Forderungen an die Klinikleitung weiterzugeben. Eine Aufstockung des Personals und eine Ausweitung der Angebote liege nicht in seinem Ermessen, habe der Stationsleiter betont.

Von der Senatsverwaltung für Gesundheit war am Sonntag zum Hungerstreik und den Forderungen keine Stellungnahme zu erhalten.

Bereits kleine Verbesserungen

Valerie K. will ihren Hungerstreik fortsetzen, wie sie der taz sagt. Es gehe ihr gesundheitlich so weit gut. Sie trinke sehr viel und nehme auch Vitamintabletten. Auch weil sie hoffe, dass ihr nüchterner Magen die Psychopharmaka dann besser vertrage

Kleine Verbesserungen seien im Übrigen bereits zu verzeichnen, sagt K.. So seien die Bäder auf der Frauenstation von einem Reinigungsdienst geputzt worden – was ungewöhnlich für einen Sonntag sei. Das Personal erweise sich seit ein paar Tagen zudem als nett und freundlich. Auch neue Zeitschriften seien ausgelegt worden. „Man gibt sich mehr Mühe.“ Ihre Sorge sei aber, dass das nicht von langer Dauer ist, so K.

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