Berliner Landeshaushalt 2018/2019: Mehr für alle!

Rot-Rot-Grün stellt seinen ersten Haushaltsentwurf vor: Dank guter Steuereinnahmen erhalten alle Senatsverwaltungen zusätzliche Mittel

Der Herr der Zahlen: Finanzsenator Kollatz-Ahnen (SPD) präsentiert den Haushaltsentwurf Foto: dpa

Ja, das sei wirklich so, bestätigt die Senatsverwaltung für Finanzen der taz, als die sicherheitshalber noch mal nachfragt: Alle Senatsverwaltungen werden mehr bekommen. Was auf den Wahlplakaten der Linkspartei von 2009 noch wie ein Witz klang – „Reichtum für alle“ – ,ist im Entwurf des Landeshaushalts für 2018 und 2019 nun auf eine Art realisiert. Dank so vieler Steuereinnahmen wie nie kann die rot-rot-grüne Koalition in allen Bereichen mehr Geld ausgeben als zuvor. Insgesamt stehen für das nächste Jahr rund 28 Milliarden Euro zur Verfügung.

Wie sich dieses Geld aufteilt, steht in drei Aktenordnern, die am Dienstagmittag zwischen Finanzsenator Matthias Kollatz-Ahnen (SPD) und den Journalisten stehen, denen er diese Summe zu erklären versucht. 28 Milliarden – das ist, da sei mal wieder dran erinnert, eine 28 mit neun Nullen dahinter. Kollatz-Ahnen ist merklich zufrieden mit seinem Werk: Überzogene Forderungen von Senatsverwaltungen hat er zusammengestutzt, jedem etwas gegeben, Schwerpunkte gesetzt, die Investitionen um die Hälfte erhöht und zuletzt doch noch mehr Geld zur Schuldentilgung lockergemacht, als von Rot-Rot-Grün ursprünglich geplant.

59,5 Milliarden Schulden

Denn auch daran muss man immer wieder mal erinnern: Berlin ist nur in Stammtischgesprächen südlich des Mains ein Bundesland, das munter Schulden macht. Tatsächlich hat sich das Land seit 2012 keinen einzigen Euro mehr neu geliehen. Aber aus der Zeit davor bestehen immer noch jede Menge Schulden. Und obwohl die rot-schwarze Koalition davon von 2011 bis 2016 drei Milliarden tilgte, also zurückzahlte, bleiben aktuell weiter 59,5 Milliarden Euro in den Miesen.

Für den Radverkehr sollen in den Extratopf für Investitionen namens Siwana in den nächsten beiden Jahren zusammen weitere rund 36 Millionen kommen – zusätzlich zu jenen 66 Millionen, die nach Senatsangaben bereits zur Verfügung stehen.

Das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten erhält im nächsten Jahr 678 Millionen Euro, um Geflüchtete unterzubringen und zu versorgen, 2019 insgesamt 727 Millionen.

Der Zuschuss an die landeseigenen Bäderbetriebe soll sich um 9 Millionen Euro erhöhen.

Für einen auch in der SPD diskutierten, von anderen, wie Olympiasieger Usain Bolt, hingegen strikt abgelehnten Umbau des Olympiastadions in ein reines Fußballstadion ist laut Kollatz-Ahnen kein Geld eingeplant: Das sei „derzeit nicht veranschlagungsfähig“. Falls sich Berlin zudem erfolgreich für die Fußball-EM 2024 bewirbt, ist aus seiner Sicht ein Umbau bis dahin ohnehin nicht möglich. (sta)

Die immer noch neue rot-rot-grüne Koalition wollte sich bei der Tilgung auf 80 Millionen Euro pro Jahr beschränken, was in der kompletten Wahlperiode statt drei Milliarden kaum mehr als ein Zehntel davon gewesen wäre. Der Landesrechnungshof hatte das jüngst in seinem Jahresbericht kritisiert. Nun sind es statt 80 Millionen 176 Millionen Euro im kommenden und 165 Millionen im übernächsten Jahr, also rund doppelt so viel. „Ich habe schon früher gesagt: Wenn sich die Möglichkeit bietet, über das Mindeste hinauszugehen, werde ich das nutzen“, erklärte Kollatz-Ahnen die Steigerung gegenüber dem, was der Senat im März als sogenannte Eckwerte für den Haushalt beschlossen hatte.

Ausgabenschwerpunkte sind in den kommenden beiden Jahren Schulbau und Schulsanierung sowie eine höhere Bezahlung der Beamten und Angestellten. In das insgesamt auf zehn Jahre angelegte Fünfeinhalb-Milliarden-Projekt Schule soll in den nächsten beiden Jahren jeweils mehr als eine halbe Milliarde Euro fließen. Zum Vergleich: Die rot-schwarze Vorgängerregierung investierte hier in ihrem letzten Jahr, 2016, nur halb so viel. Kredite für den Schulbau, die dann eine landeseigene Gesellschaft aufnehmen soll, sind laut Kollatz-Ahnen erst ab 2020 vorgesehen.

Ein weiterer Schwerpunkt bleibt der Wohnungsbau. Für einen – derzeit viel diskutierten – U-Bahn-Ausbau (siehe Text unten) hingegen steht laut Finanzstaatssekretär Klaus Pfeiler kein Geld zur Verfügung.

Ausgabenschwerpunkte sind der Schulbau und eine höhere Bezahlung der Beamten

Mehr Lehrer und Polizisten

Im öffentlichen Dienst sieht der Haushalt nicht nur eine höhere Bezahlung vor, sondern auch deutlich mehr Beschäftigte als die derzeit rund 100.000. Im nächsten Jahr soll es rund 2.700 dauerhafte und 440 befristete neue Stellen geben, im Jahr 2019 weitere rund 1.700 Stellen. Die Neuen sollen vor allem als Lehrer (1.609), Polizisten (795) und Feuerwehrleute (260) arbeiten.

Die höhere Bezahlung soll zum einen ausgebliebene Erhöhungen aus jenen Zeiten ausgleichen, in denen Berlin, wie es der frühere Regierungschef Klaus Wowereit mal ausdrückte, sparte, „bis es quietscht“. Zum anderen soll zusätzliches Geld dazu dienen, für die nun eingeplanten neuen Stellen überhaupt genug geeignete Bewerber zu finden.

Offiziell ist das, was der Senat an diesem Dienstag beschlossen hat, nur der Entwurf des neuen Haushalts. Denn der Verfassung nach entscheidet allein das Abgeordnetenhaus über die Landesfinanzen. Im September gehen die Beratungen darüber dort los.

Doch die Parlamentarier können sich aus dem 28-Milliarden-Werk nur einzelne Punkte herausgreifen. „Ein Bruchteil, weniger als fünf Prozent“, bezifferte der Vorsitzende des Hauptausschusses, Fréderic Verrycken, im taz-Interview das, was die Parlamentarier schaffen können. 160 Mitglieder hat das Abgeordnetenhaus, 29 davon sitzen im Hauptausschuss, der alle Pläne liest – in der Senatsverwaltung war hingegen laut Senator Kollatz-Ahnen eine dreistellige Zahl von Mitarbeitern über mehrere Monate mit dem Haushaltsentwurf beschäftigt.

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