Berliner Kita-Krise: Betreuung wird schlechter
Kitas dürfen ab sofort „befristet“ ihre Gruppen überbelegen. Zudem bekommen die Bezirke mehr Handhabe bei Härtefällen.
Das Urteil des Berliner Oberverwaltungsgerichts sitzt Jugendsenatorin Sandra Scheeres (SPD) im Nacken: Im März hatten die Richter im Fall zweier Eltern entschieden, dass der Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz gilt – Fachkräftemangel hin oder her. Am Donnerstag kündigte Scheeres nun an, „befristete Überbelegungen“ in Kita-Gruppen seien ab sofort möglich.
Außerdem sollen die Bezirke und eine „Kita-Task-Force“ bei der Senatsverwaltung ein Mitspracherecht bei der Platzvergabe in besonders dringenden Fällen bekommen. Diese werden von den bezirklichen Jugendämtern schon jetzt auf zentralen Wartelisten gesammelt. Bisher war es allein Sache der Kita-Träger, wie sie die Plätze vergeben – die Bezirke hatten also trotz „Härtefalllisten“ keine Handhabe.
Konkret sollen die Jugendämter erst mal je 15 Problemfälle – etwa solche, wo der vorgesehene Betreuungsbeginn bereits verstrichen ist – an die Task-Force abgeben können. Dort will man „in engem Kontakt mit freien Trägern“ nach schnellen Lösungen suchen. Zugleich sollen die Bezirke mit den Kita-Eigenbetrieben Platzkontingente aushandeln, die sie mit Kindern von ihren Wartelisten besetzen können.
In den Bezirken dürfte Scheeres’ Ideen sehr unterschiedlich umgesetzt werden: Neuköllns Jugendstadtrat Falko Liecke (CDU) hält die Kontingentlösung für „Quatsch“ und will deshalb auch nur 50 Plätze für sein Jugendamt. Er kritisierte Friedrichshain-Kreuzbergs Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne), die die Plätze vorrangig an Bezirkskinder vergeben will. Das benachteilige „Tausende Eltern“.
„Die Bezirke sollen den Rechtsanspruch umsetzen. Dann brauchen wir auch die Möglichkeit dazu“, sagt hingegen Pankows Jugendstadträtin Rona Tietje (SPD). Tietje hat sich mit den Kita-Eigenbetrieben NordOst als erster Bezirk geeinigt: 135 Kontingentplätze soll es geben, drei Prozent der NordOst-Plätze. Aus Friedrichshain-Kreuzberg heißt es, dass man das „für sehr wenig“ hält. Bezirksbürgermeisterin Herrmann mahnte angesichts der nun erlaubten größeren Gruppen: „Das Land muss offen kommunizieren, dass die Qualitätsstandards wieder herabgesetzt werden.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Proteste bei Nan Goldin
Logiken des Boykotts
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Bundeskongress der Jusos
Was Scholz von Esken lernen kann
Bündnis Sahra Wagenknecht
Ein Bestsellerautor will in den Bundestag
Demokratieförderung nach Ende der Ampel
Die Lage ist dramatisch