Berliner Karnevalumzug abgesagt: Von wegen uralte Tradition
Für den Berliner Umzug fehlt das Geld - was wiederum heißt, dass es schlicht kein Interesse daran gibt.
Es ist ja keineswegs so, dass nicht schon genug los wäre in dieser Stadt. Was dann auch das Gegenteil überdecken kann. Also Sachen, die nicht mehr sind. Diese Woche wurde bekannt gegeben, dass es im kommenden Jahr zum Rosenmontag in Berlin keinen Karnevalsumzug mehr geben wird – und damit eine recht kurzjährige Geschichte schon wieder an ihrem Ende angekommen ist. „Ach ja“, murmelt da der Berliner, der sich darüber so betroffen zeigt wie von dem sprichwörtlichen Sack Reis, der in China umgefallen ist.
Aber es ist doch interessant zu wissen, wieso der Sack umgefallen ist. Es hat mit Geld zu tun. Das fehlt. Was wiederum heißt, dass es schlicht kein Interesse am Berliner Karnevalsumzug gibt. Das Fernsehen wil ihn nicht mehr übertragen, Sponsoren sind abgesprungen. Ende der Geschichte.
Und ja, das ist eine gute Nachricht. Weil das eben bedeutet, dass nicht alles auch wirklich überall funktioniert. Dass die Kultur mit Eigenständigkeiten zu schaffen hat und gar nicht so beliebig ist, wie in kulturpessimistischen Kreisen geunkt wird.
Es ist halt einfach so, dass Berlin dem klassischen Karneval bestenfalls gleichgültig gegenübersteht, und dabei kümmert es den Berliner wenig, dass man es dabei mit einer jahrhundertealten Tradition zu tun hat. Die aber eben andernorts gepflegt wird. In Köln etwa oder Düsseldorf, wo man aber mal so richtig auf die Straße ginge, wenn man dort die beliebten Umzüge einfach so absagen würde.
Der Berliner aber braucht das nicht. Dabei hat er gar nichts gegen einen ordentlichen Umzug einzuwenden. Im Gegenteil. Der Berlin Marathon beispielsweise erfreut sich einer riesigen Beliebtheit, und dann gibt es ja noch den Karneval der Kulturen. Ein echtes Massenereignis. Seit 1996 zieht man damit durch Kreuzberg, im Vergleich zur uralten Karnevalstradition eine lächerlich kurze Zeitspanne. Aber eben doch bereits schon Tradition, die auch hier lebt, in der Stadt. Man mag von ihr halten, was man will – funktionieren tut sie nur, wenn auch irgendwie ein allgemeiner Nerv getroffen wird. Ein Lebensgefühl. Eine Berliner Befindlichkeit.
Der Berliner mag durchaus Mummenschanz. Er mag auch Kamellen. Er mag Karneval. Den Berliner Karnevalsumzug aber mag er nicht so, dass er sich dafür wirklich breit machen würde. Darauf ein „Hei-Jo“ – so achselzuckend, fast resignativ, lautet der Narrenruf der versprengten Berliner Jecken. THOMAS MAUCH
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Denkwürdige Sicherheitskonferenz
Europa braucht jetzt Alternativen zu den USA
„Edgy sein“ im Wahlkampf
Wenn eine Wahl als Tanz am Abgrund verkauft wird
Tod von Gerhart Baum
Einsamer Rufer in der FDP-Wüste
+++ Nachrichten zur Ukraine +++
Gespräche bei der Sicherheitskonferenz
Verlierer der Wahlrechtsreform
Siegerin muss draußen bleiben
Tabubruch der CDU
Einst eine Partei mit Werten