piwik no script img

Berliner Humboldt ForumDas Prinzip Augenhöhe

Im Humboldt Forum arbeiten sie für die letzte Teileröffnung im Herbst an einem Boot und an einem Dach. Es geht um das Ende herrschaftlicher Attitüden.

Bekommt neue Dachschindeln aus Palmblättern: Das Versammlungshaus aus Palau Foto: SPK/photothek/Thomas Köhler

Im Ausstellungssaal „Bauwerke aus Ozeanien“ duftet es süß nach einer Mischung aus Korb und Heu. Direkt am traditionellen Versammlungshaus aus Palau sitzen drei Männer und nähen mit routinierten Handgriffen Palmblätter zu Dachschindeln zusammen. Anlässlich der letzten Teileröffnung des Humboldt Forums Mitte September decken sie seit diesem Montag gemeinsam mit anderen Kollegen vom Inselstaat im Pazifischen Ozean das Bai, wie es heißt. 1907 ließ es der Arzt und Ethnologe Augustin Krämer für das damalige Völkerkundemuseum bauen.

Langjährige Fans des Museums werden das Bai vielleicht noch aus Dahlem kennen, wo es bis zu seinem Umzug ins Humboldt Forum beheimatet war. „Die Palmblätter der damaligen Deckung stammten nicht aus Palau. Wir hielten das nicht mehr für zeitgemäß“, berichtet Dorothea Deters, die die Südseeabteilung des Ethnologischen Museums kuratiert. „In Palau gibt es noch vier dieser traditionellen Häuser“, fügt Patrick Tellei aus Palau an. „Es ist uns eine Ehre, dass unser Wissen über den Bau dieser Häuser so gefragt ist“, sagt er. Das Haus wird für die Aus­stel­lungs­be­su­che­r*in­nen begehbar sein.

Es ist das Prinzip Augenhöhe, auf das die Ma­che­r*in­nen des Humboldt Forums bei einem Pressetermin am Donnerstagvormittag hinauswollen. Die Dachdecker aus Palau sollen demonstrieren, dass die Museen im Humboldt Forum keine Bühne mehr für koloniale Raubkunst sein möchten, sondern ein Ort des Austauschs, wo Ausstellungen gemeinsam mit Part­ne­r*in­nen aus den Herkunftsländern gedacht und gemacht werden. Dies zu betonen hat das Haus nötig.

Zu lang gehadert

Noch zur digitalen Eröffnung im Dezember 2020 hatte man sich auf Ausstellungsstücke wie die Benin-Bronzen gefreut, die eigentlich ab diesem Herbst zu sehen sein sollten. Nun sind ein Großteil dieser berühmten Artefakte, die eindeutig geplündert wurden, auf halbem Weg zurück nach Nigeria. Viel zu lang hat die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) mit dem Bruch mit der herrschaftlichen Attitüde gehadert, der gerade in vielen europäischen Museen vollzogen wird.

Inzwischen aber scheint man selbst hier erkannt zu haben, dass es nicht nur klüger, sondern auch glücklicher macht, mit der ganzen Welt zusammenzuarbeiten. Das wird am Donnerstagvormittag auch in einem anderen Ausstellungsraum deutlich, in dem bislang nur das Luf-Boot zu sehen war, bei dem nicht geklärt ist, ob es gekauft oder angeeignet wurde.

Direkt daneben haben nun die Bootsbauer Joji Marau Misaele und Rogovosa Biuwale aus Fidschi ein wunderschönes Doppelrumpf-Segelboot gebaut, eine Drua, die ab September von Kindern beklettert werden darf. Eigentlich ist es viel, viel schöner als das Luf-Boot.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Sehr schade, dass der wesentliche Teil des Artikels mit Werbung zugekleistert ist, die ich mögicherweiese nicht wegschalten kann. Wie soll man jetzt boch dazu Stellung nehmen können?