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Berliner HörspielnächteHörend unterwegs

Man muss nicht alles aussitzen: In der Sommerausgabe der Berliner Hörspielnächte gibt es auch Hörspiele, bei denen man in Bewegung kommen darf.

Was auf die Ohren Foto: Jörg Brüggemann/Ostkreuz

Berlin taz | Am 24. Oktober 1924 dachten Hörer und Hörerinnen der Welle 467 des Südwestdeutschen Rundfunkdienstes in Frankfurt am Main, sie würden gerade einer Senderpanne beiwohnen. Ein Märchen wird im Radio erzählt. Plötzlich aber hebt ein Stimmengewirr an, Tanzmusik wird dazwischengeblendet, jemand bläst unvermittelt in eine Trompete. Chaos beim Radio.

Die Verwirrung, die damit ausgelöst wurde, war freilich intendiert. Das vermeintliche Missgeschick beim Sender war in Wahrheit das erste deutschsprachige Hörspiel, mit dem vielsagenden Titel „Zauberei auf dem Sender“. Erdacht hatte es sich der damalige Chef der Radioanstalt, Hans Flesch, der sein Stück eine „Rundfunk-Groteske“ nannte. Dieses künstlerische Experiment gilt heute als Startschuss für den Boom, den das Format Hörspiel ganz besonders in Deutschland auslöste. Ohne den Schabernack von Flesch damals hätten später „TKKG“ und „Benjamin Blümchen“ vielleicht nie die deutschen Kinderzimmer erobert.

Fleschs Pioniertat spielt auch eine besondere Rolle für Natalie Gorris, die künstlerische Leiterin der Berliner Hörspielnächte. Ihr Hörspielfestival, das im vergangenen Jahr erstmalig stattfand, hat sie terminlich nicht ohne Grund auf den Oktober gelegt. Es soll eine Art Countdown zum hundertjährigen Jubiläum von „Zauberei auf dem Sender“ sein. 2024, das steht jetzt schon fest, soll die dann fünfte Ausgabe ihrer Berliner Hörspielnächte am 24. Oktober starten. Also an dem Tag genau, an dem vor einem Jahrhundert in Deutschland das Hörspiel aus der Taufe gehoben wurde.

Aber da es im letzten Jahr trotz Corona schon so gut lief mit den Hörspielen im Herbst, gibt es jetzt auch noch ganz unabhängig von Hans Flesch eine Sommer-Edition der Berliner Hörspielnächte, die vom 9. bis zum 18. Juli an verschiedenen Orten der Stadt stattfinden wird.

Gut zu hören

Die Nächte: In einer Sonder-Sommer-Edition finden vom 9. bis 18. Juli die Berliner Hörspielnächte statt. Das Programm findet sich auf www.hoerspielnaechte.berlin.

Noch ein Festival: Im August folgt dann mit dem Berliner Hörspielfestival ein traditioneller Hörspielhöhepunkt im Jahr. Zum 12. Mal geht es vom 12. bis 15. August in der Akademie der Künste am Hanseatenweg bei dem Hörspielfestival der freien Szene um die „Brennenden Mikros“. Info: www.adk.de.

Die ganzen Draußenformate, die sie sich wegen der Pandemie für ihre Veranstaltung im vergangenen Jahr ausgedacht hat, kommen im Sommer ja noch besser, hat sich Gorris gesagt. Somit gibt es jetzt bei bestem Wetter Hörspaziergänge und bei wahrscheinlich relativ geringen Inzidenzzahlen etwa auch einen „­Hörspiel-Slam to go“ in den Gärten der Welt in Marzahn oder ein „Überraschungs-Live-Hörspiel“ auf dem Gelände der Wagenburg Lohmühle in Alt-Treptow.

Es gibt heute Hörspiele im Radio, wie einst bei Hans Flesch. Es gibt Hörspiele auf CD, und die ewig populären „Die drei???“-Reißer, die man gerne immer noch auf Kassette auf dem Flohmarkt ersteht, sind geradezu Kult. Und es gibt ganz viele „Grenzformate“, wie Gorris das nennt: Hörbücher, bei denen Autoren und Autorinnen aus ihren Werken vorlesen, zwischenein aber Dialoge und Hintergrundgeräusche eingebaut werden. Es gibt Hörspiele mit Musik, mit prominenten Sprechern und Sprecherinnen, und es gibt Veranstaltungen, bei denen man gemeinsam Hörspielen lauscht und danach noch zum Gespräch mit dem Autor oder der Autorin des Stücks geladen ist.

Auch inhaltlich kennt das Format kaum Grenzen. Abenteuer, Märchen, Krimi, Polit­thriller, Dokutainment, alle nur erdenklichen Genres und Genre­hybride sind vorhanden.

Mit ihren Berliner Hörspielnächten möchte Gorris dann auch demonstrieren: „Das Hörspiel ist ein sehr lebendiges Medium.“ Und eines, das ganz in der Tradition Fleschs sehr ausgefallen sein könne. Sie nennt da persönliche Favoriten wie etwa Ulrike Haages und Andreas Ammers „7 dances of the holy ghost“, das in die experimentelle Richtung geht. Aber auch Poppig-Trashiges wie Leonhard Koppelmanns Hörspiel „Walk of Fame“ über B-Movies, für das als einer der Erzähler der Berliner Horrorfilm-Papst Jörg Buttgereit gewonnen werden konnte.

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