Berliner Handy-App: Smart gegen Nazis
Eine Handy-App vermeldet rechte Demos. Der Senat, BSR und Vattenfall unterstützen das Projekt. Das zeigt: Der Kampf gegen Rechte ist Konsens.
BERLIN taz | Auf dem Weg nach Hause vibriert das Handy. Angezeigt wird aber keine SMS der Freundin oder E-Mail des Kollegen, sondern per sogenannte Push-Nachricht die Information, dass nur zwei U-Bahn-Stationen weiter gerade eine Kundgebung der NPD stattfindet, gegen die eine Flüchtlings-Willkommensinitiative mit einer Kundgebung protestiert.
Die App des Netzwerks „Berlin gegen Nazis“ verdeutlicht die Standorte der Kundgebungen auf einer Karte, informiert auf Deutsch, Türkisch oder Englisch über Anmelder und Motto der Gegenkundgebung und leitet weiter zu einem Hintergrundartikel zu aktuellen rechtsextremen Mobilisierungen gegen Flüchtlinge.
Die App, bundesweit einmalig und seit Dienstag kostenlos verfügbar, soll den Protest gegen Rechtsextreme vereinfachen. „Berlin braucht und verdient ein breiteres, diverseres zivilgesellschaftliches Engagement gegen rechts“, sagte Bianca Klose, Geschäftsführerin des Vereins für demokratische Kultur in Berlin, der wiederum Träger des Netzwerks „Berlin gegen Nazis“ ist, am Dienstag bei der Vorstellung des Kleinstprogramms.
„Mit der App schaffen wir eine zeitgemäße Ansprache und vervollständigen das Informationsangebot“, so Klose, die als Leiterin der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus (MBR) gleichzeitig einen der wichtigsten Partner des Netzwerks vertritt.
Die Smartphone-App „Gegen Nazis“ gibt es für Android-Handys ab sofort im Google Play Store und für iOS-NutzerInnen ab dem 5. Dezember im App-Store zum kostenlosen Download.
Zentraler Bestandteil der App ist eine Berlin-Karte, auf der Neonazi-Kundgebungen und Demonstrationen sowie Gegenaktivitäten eingetragen sind. Der Nutzer kann sich seinen Standort und damit die Route zu den jeweiligen Aktivitäten anzeigen lassen und außerdem einstellen, dass ihn die App über aktuelle Ereignisse per Push-Mitteilung informiert.
Weitere Informationen gibt es im Internet unter www.berlin-gegen-nazis.de (mgu)
Eingespeist werden die Informationen von dessen MitarbeiterInnen. „Im Gegensatz zu den sozialen Netzwerken werden Informationen hier nach Verlässlichkeitskriterien gefiltert“, sagt Projektkoordinatorin Jessica Zeller. Gerade bei unübersichtlichen Situationen sei das ein großer Vorteil – für den man den Nachteil, dass die NutzerInnen nicht direkt selbst Informationen über die App verbreiten können, in Kauf nehme.
Ob und wie man am Ende tatsächlich protestiert, bleibt natürlich jedem selbst überlassen. Die über die App weitergegebenen Informationen beschränken sich nicht nur auf angemeldete Kundgebungen: Auch Sitzblockaden oder spontane Gegendemonstrationen sollen hier angezeigt werden. Die ebenfalls am Dienst präsentierten Sitzkissen, bedruckt mit dem Netzwerk-Logo, empfiehlt Klose augenzwinkernd „für Parkbänke, aber auch lange Spaziergänge am nächsten Samstag oder Montag“. Gemeint sind damit Proteste gegen die aktuellen rassistischen Mobilisierungen in Marzahn, Buch und Köpenick – das Netzwerk gibt auf seiner Seite durchaus auch Tipps zu Blockaden.
Keine exklusive Angelegenheit
Antifa für alle, könnte man den dahinterstehenden Gedanken formulieren. Das ist beachtlich: Denn unter den 20 Partnern von „Berlin gegen Nazis“ finden sich keinesfalls nur die üblichen Verdächtigen einer Mobilisierung gegen rechts. Die Berliner Stadtreinigung (BSR) und der Energiekonzern Vattenfall sind dabei, die Yorck-Kinogruppe und das „Tipi am Kanzleramt“, der Landesseniorenbeirat und die Club Commission.
Gefördert wird das Netzwerk, die dazugehörige Internet-Plattform und auch die App von der Senatsverwaltung für Integration. Senatorin Dilek Kolat (SPD) nennt die App einen „persönlichen Begleiter für alle engagierten Bürgerinnen und Bürger der Stadt“.
Neonazi-Aufmärsche zu blockieren ist also längst keine exklusive Angelegenheit vermummter Linksradikaler mehr; an einer Gegenkundgebung teilzunehmen schon gar nicht – die neue App ist ein Ausdruck dieser Entwicklung. Von Antifa-Gruppen abgrenzen will man sich nicht: „Die Antifa – das möchte ich deutlich sagen – ist unglaublich wichtig bei der Verhinderung von Neonazi-Aufmärschen:
Die haben einen viel höheren Mobilisierungsfaktor als wir“, sagte Beatrice Morgenthaler, Mitglied der AG Rechtsextremismus der Gewerkschaft Verdi. Die App zeige aber auch anderen Menschen, „wo man hin muss, um den Nazis zu zeigen: In meinem Namen sprecht ihr nicht“, so die 61-Jährige.
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