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Berliner AfDRund 400 protestieren gegen AfD-Parteitag

Im brandenburgischen Jüterbog versuchen Demoteilnehmer den Zugang zur Wiesenhalle zu blockieren. Hier wählte die AfD turnusmäßig den neuen Vorsitz.

Bunt und laut gegen die AfD Foto: Carsten Koall / dpa

Berlin taz | „AfD, Faschistenpack, wir haben euch zum Kotzen satt“, skandierten die Teilnehmenden des Protestzugs, der am frühen Sonntagmorgen durch Jüterbog zog. „Die sind doch alle bezahlt“, sagt ein Mann, der sich auf dem Weg zum Parteitag der Berliner AfD befand. Gemeint ist die Blockade von etwa 70 Antifa-Aktivist:innen, die die Zufahrt zum Parteitag der AfD Berlin kurzzeitig zumindest erschwert.

Die Ak­ti­vis­t:in­nen nahmen die ankommenden AfD-Abgeordneten, die teils mit Bussen vom örtlichen Bahnhof zum Parteitag eskortiert wurden, unter Buhrufen in Empfang. Die Polizei hielt die Straße jedoch so weit frei, dass der Zugang für die Abgeordneten weiterhin möglich blieb. Kurzzeitig setzte die Polizei dabei auch Pfefferspray gegen Demonstrierende ein.

Zum Protest unter dem Slogan „Stören. Irritieren. Demonstrieren“ gegen den Parteitag des AfD-Landesverbandes hatte das Bündnis Buntes Luckenwalde aufgerufen. Unter dem Motto „Gegen den Parteitag der Berliner AfD!“ zog eine Demonstration vom Bahnhof zur Wiesenhalle Jüterbog. Auf Transparenten waren Slogans wie „Es gibt kein ruhiges Hinterland“ und „AfD-Verbot jetzt“ zu lesen. Auch Gruppen wie die Interventionistische Linke, Widersetzen und Aufstehen gegen Rassismus mobilisierten zu den Protesten.

AfD-Berlin wählt neue Parteispitze und verwehrt der taz den Zugang

Die Berliner AfD traf sich am Sonntag erneut in der Wiesenhalle der Stadt Jüterbog im Landkreis Teltow-Fläming. In Berlin hatte der Landesverband der Partei vergeblich nach Räumen gesucht, wie der rbb zuerst berichtet hatte.

Der taz verweigerte Ronald Gläser, Sprecher der Berliner AfD und seit neuestem Bundestagsabgeordneter, den Zugang zum Parteitag, zu dem auch der Rechtsextremist Hannes Gnauck als Redner zu Gast war. Er könne dem „Wunsch auf Akkreditierung leider nicht entsprechen“, antwortete Gläser erst wenige Stunden vor Beginn des Parteitags auf eine Anfrage der taz.

Der Brandenburger AfD-Bundestagsabgeordnete Gnauck, einst Zeitsoldat und Vorsitzender der selbstaufgelösten rechtsextremen „Jungen Alternative“, wurde 2021 vom Militärgeheimdienst MAD als Extremist mit der höchsten Warnstufe eingestuft.

Bekenntnis zum völkisch-nationalen Lager

Auf dem Parteitag hatte der Landesverband turnusmäßig den Landesvorsitz neu gewählt. Kristin Brinker bleibt Vorsitzende der Berliner AfD. Rund 330 von 350 Abgeordneten stimmten für sie. Gegenkandidaturen gab es keine.

Inhaltlich befasste sich die AfD in Jüterbog auch mit einer „Anti-Schulden-Resolution“. Berlin dürfe keine zusätzlichen Kredite etwa für Klimaschutz oder Geflüchtete mehr aufnehmen, fordert die Partei darin. Beschlossen wurde auch, den Begriff „Remigration“ in die Resolution aufzunehmen. Ein Bekenntnis zum völkisch-nationalen Lager: „Remigration“ ist ein Kampfbegriff der selbsternannten „Neuen“ Rechten und meint die grundrechtswidrige Vertreibung und zwangsweise Deportation von Mi­gran­t:in­nen nach rassistischen Maßstäben. Spätestens seit dem Bundesparteitag im Januar dieses Jahres ist der Begriff Parteiräson.

Bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus 2021 und der Wiederholungswahl 2023 war Brinker Spitzenkandidatin ihrer Partei. Die Politikerin gilt manchen wegen ihres zurückhaltenden Stils als eher gemäßigte AfD-Politikerin. Doch die Vorstellung einer gemäßigten Berliner AfD ist ein Mythos. Auch in Berlin sind mit Brinker, so bürgerlich sie sich auch zu inszenieren versucht, die Grenzen zum völkisch-nationalen Lager längst verwischt.

Grenzen nach Rechtsaußen sind längst verwischt

Wie im Januar vergangenen Jahres öffentlich wurde, war Brinker im Jahr 2023 bei einem Treffen in der Privatwohnung des Ex-CDU-Finanzsenators Peter Kurth, bei dem auch bekannte Rechtsextremisten wie Martin Sellner und Götz Kubitschek zu Gast waren. Sellner redete an diesem Abend über sein Buch „Regime Change von rechts“. Brinker mühte sich anschließend um eine Erklärung – überzeugend war die jedoch nicht.

Schon 2021 wurde Brinker in das Amt der Landesvorsitzenden gewählt, damals mit Unterstützung von An­hän­ge­r:in­nen des extrem rechten Flügels der AfD. In der Berliner AfD ist Brinker umringt von ehemaligen Flügel-Anhängern, etwa Thorsten Weiß, Jeanette Auricht und Rolf Wiedenhaupt. Ihr Vorgänger, Georg Pazderski, sagte damals, Brinker führe die AfD Berlin auf den „thüringischen Höcke-Weg“.

Für seine regelrechte Höcke-Obsession ist auch der einstige Bundeswehroffizier, ehemalige Berliner Flügel-Obmann und stellvertretende Fraktionsvorsitzende Thorsten Weiß bekannt. „Du bist unser Anführer, dem wir gerne bereit sind zu folgen“, äußerte sich Weiß zu Höcke 2019.

Nun ist Weiß, wie dieser kürzlich auf der Plattform X bekannt gab, innenpolitischer Sprecher der Berliner AfD-Fraktion. Aus seiner menschenfeindlichen Ideologie macht Weiß keinen Hehl. Fortan werde die „innere Sicherheit (…) unter dem Aspekt der Remigration gedacht“, ließ Weiß auf der Plattform X verlauten. Weiß träumt von dem Bau eines neuen „Remigrationszentrums“ in Berlin. Im Netz inszeniert er sich in Pilotenkostüm auch als „Käpt’n Rückflug“.

Friedlicher Protest gegen den Parteitag

Schon im Oktober letzten Jahres versammelte sich die AfD Berlin in der Wiesenhalle. Hunderte protestierten damals. An diesem Sonntag sprach Teltow-Flämings Polizeichef Ulrich Wiesicke von einem „friedlichen Verlauf“ des Protests, an dem sich laut Veranstalter rund 400 beteiligten. Die Polizei zählte zwischen 250 und 300 Teilnehmende. Laut Wiesicke kam es zu 2 Strafanzeigen, etwa wegen Verstoß gegen das Vermummungsgesetz.

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1 Kommentar

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  • "Rund 330 von 350 Abgeordneten stimmten für sie."

    Aus dem Artikel ist nicht ersichtlich, ob es sich um einen Mitglieder- oder Delegiertenparteitag handelt.



    Aber das waren bestimmt nicht alles Abgeordnete.