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Berliner AbgeordnetenhausDas 29-Euro-Ticket rollt weiter

Verkehrsverbund VBB verlängert das Angebot bis ins Frühjahr. Senatorin Jarasch nennt SPD-Ruf nach einem dauerhaften Billigticket „Wahlkampfgeplänkel“.

Bus- und Bahnfahren mit dem 29-Euro-Ticket ist in Berlin bis ins Frühjahr verlängert Foto: dpa

Berlin taz | Am Vormittag war es noch eine Ankündigung von Verkehrssenatorin Bettina Jarasch (Grüne) in ihrer Abgeordnetenhausrede, knapp zwei Stunden später Fakt: Das Berliner 29-Euro-Ticket darf weiterlaufen, bis im April oder Mai das bundesweit gültige 49-Euro-Ticket kommt – der Aufsichtsrat des Verkehrsverbunds Berlin-Brandenburg (VBB) hat dem am Donnerstag zugestimmt. Laut Jarasch ist es eine letztmalige Verlängerung. Eine Forderung der SPD, aus dem 29-Euro-Ticket ein dauerhaftes Angebot zu machen, tat die Senatorin im Parlament als „Wahlkampfgeplänkel“ ab: „Die Brandenburger wollen keine weiteren Berliner Alleingänge.“

Die rot-grün-rote Koalition hatte das 29-Euro-Ticket im Herbst als Entlastungsmaßnahme beschlossen und zum 1. Oktober eingeführt. Es sollte bis Jahresende beschränkt sein, weil dann das „Deutschland-Ticket“ für 49 Euro starten sollte. Weil sich dessen Einführung verschiebt, einigte sich die Koalition auf eine Verlängerung und finanzierte das bereits im jüngst beschlossenen Nachtragshaushalt. Pro Vierteljahr kostet das Ticket das Land 105 Millionen Euro. Das Sozialticket, bislang 27,50 Euro, ist ab Januar für 9 Euro zu haben.

Ohne Zustimmung des VBB-Aufsichtsgremiums wäre eine Verlängerung nicht möglich gewesen: Der Verkehrsverbund hat auch bei Tarifangeboten das letzte Wort, die allein das Berliner Stadtgebiet betreffen. Ein weiteres Mal wird das laut Jarasch nicht passieren: „Die Aufsichtsratsmitglieder haben deutlich gemacht, dass sie diese Zustimmung letztmalig erteilt haben.“ Anders als die SPD will Jarasch das 29-Euro-Ticket nicht über das Frühjahr hinaus fortführen, sondern „das VBB-Tarifsystem gemeinsam auf den 49-Euro-Rahmen anpassen“.

Nicht nur bei den Grünen gibt es Kritik, dass ein von der SPD gewolltes dauerhaftes 29-Euro-Ticket nicht zielgenau für Entlastung sorgt. Auch der Landesgeschäftsführer des Umweltschutzverbands Bund, Tilmann Heuser, äußerte sich jetzt in diese Richtung. „Natürlich hört sich ein möglichst günstiges Monatsticket für den Nahverkehr für alle gut an“, schrieb er in einer Pressemitteilung. Es sei aber bei Kosten in dreistelliger Millionenhöhe klima- und sozialpolitisch kontraproduktiv. „Statt sie per Gießkanne zu verteilen, sollten die knappen Haushaltsmittel besser dafür eingesetzt werden, gezielt Menschen mit geringen Einkommen zu entlasten und mehr Geld in den Ausbau des ÖPNV, des Radverkehrs, in den Klimaschutz und das Stadtgrün zu stecken“, findet Heuser.

Parlamentsdebatte über E-Roller: SPD lobt CDU

E-Scooter Am Thema „E-Scooter“ nehmen Fußverkehrs- und Behindertenverbände seit Langem Anstoß. Am Donnerstag kam es im Abgeordnetenhaus zur Aussprache über Anträge der CDU und der FDP, die das wilde Abstellen der Roller eindämmen möchten.

Angebot Die CDU will, dass der Senat das Angebot ausschreibt – und reduziert. Dabei sollen Konzessionsgebiete geschaffen werden. Geparkt werden dürfte nur noch auf Abstellflächen. „Free Floating funktioniert nicht“, so Johannes Kraft, es lasse sich auch technisch nicht garantieren, dass die Roller nicht in den Gehbereich ragten. Die FDP will 5.000 Abstellflächen im Jahr 2023.

Konzessionierung Stephan Machulik (SPD) lobte den CDU-Antrag und verprach, im Ausschuss „ernsthaft über Konzessionierung zu sprechen“. Bisherige Instrumente hätten es nicht geschafft, „Chaos und Verwahrlosung“ zu verhindern. Dagegen sieht Oda Hassepaß (Grüne) in den 150 für 2023 geplanten „Jelbi“-Stationen den richtigen Weg. Zudem werde die seit September genehmigungspflichtige Straßensondernutzung bei Missachtung von Regeln künftig entzogen. (clp)

SPD-Fraktionschef Raed Saleh sprach Verkehrssenatorin Jarasch nach ihrer Absage an ein dauerhaftes Billigticket das Recht ab, dies so festzulegen. „Ob die Fortsetzung unseres 29-Euro-Tickets im Interesse Berlins ist, entscheidet nicht Frau Jarasch, sondern das entscheiden die Berlinerinnen und Berliner am 12. Februar“, sagte Saleh der Deutschen Presse-Agentur. An diesem Tag findet die Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus statt.

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1 Kommentar

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  • Ic h habe normalerweise meine Probleme mit dem Duo Giffey/Saleh, aber kann der Idee eines 29-Euro-Tickets für den Berliner Stadtbereich durchaus einiges abgewinnen. Es ist ja schön, wenn ich für 49 Euro im Monat jeden Tag im Nahverkehr an die Ostsee und zurückfahren kann - nur das mache ich nicht und habe es auch nicht mit dem 9-Euro-Ticket gemacht. Die bsiherige VBB-Umweltkarte AB haben wir uns in der Familie geteilt. Sie war übertragbar und weder ich noch meine Partnerin mussten täglich den ÖPNV nutzen. Normalerweise reichten für die Zeit der Doppelnutzung ein paar 4-Fahrten-Scheine aus. Inzwischen haben wir zwei 29-Euro-Abos. Wenn wir mal in den C-Bereich wechseln, muss eben noch ein Ergänzungsfahrschein gekauft werden. Und am Wochenende kann man ja auf der Umweltkarte mitfahren. Da ich inzwischen nicht mehr berufstätig bin, wäre das 49-Euro-Ticket allenfalls eine Alternative zum Seniorenticket (für das ich aber noch nicht alt genug bin) und das ich auch nie wirtschaftlich genutzt hätte. Ob ich im Monat tatsächlich 29 Euro abfahre, weiß ich dabei gar nicht, aber der Betrag liegt in einer Größenordnung, in der ich nicht jede Einzelfahrt innerlich abrechne, zumal bei etwas höheren Temperaturen sowieso das Fahrrad auf mittleren Strecken genutzt wird. Sollte ein dauerhaftes 29-Euro-Ticket für den Stadtraum Berlin komme, werde ich auch nicht meinen Chauffeur entlassen um auf Kosten der Landeskasse zu schmarotzen (Stichwort unsoziale Gießkanne). Die meisten Autofahrer*innen werden selbst für 29 Euro nicht dazu bewegt werden, auf den ÖPNV umzusteigen. Und wenn das Ganze wirklich sozial werden sollte, wie wäre es damit: Eine bundesweite einkommensorientierte Nahverkehrssteuer für alle und im Gegenzug den Nulltarif im ÖPNV. Rechnerisch wäre das wohl möglich, aber politisch...