Berlinale: „In Zeiten des Teufels“: Dem Wahnsinn so nah

Lav Diaz’ „In Zeiten des Teufels“ erzählt von mordenden Milizen und arbeitet mit Chor-Dialogen. Eine filmische Rockoper nennt das der Regisseur.

Ein Mann lehnt an einem Fensterrahmen

Dark, darker, Lav Diaz Foto: Giovanni D. Onofrio/Berlinale

Es sind die späten siebziger Jahre, auf den Philippinen hat General Marcos das Kriegsrecht ausgerufen, brandschatzend, vergewaltigend, mordend ziehen in Uniformen gesteckte und bewaffnete Zivilisten auf der Jagd nach kommunistischen Rebellen durch Städte und Dörfer. In dieser Zeit, vor diesem Hintergrund, tief im philippinischen Dschungel siedelt Lav Diaz seinen neuesten Film „Ang Panahon ng Halimaw“ an.

Der Titel wird übersetzt als „In Zeiten des Teufels“, und dieser Titel übertreibt nicht, was geschieht. Ein Erzähler-Ich, das man nur am Beginn hört, berichtet, dass das, was man sieht, auf realen Figuren und Geschehnissen basiert. Realistisch erzählt wird es jedoch nicht, oder nur insofern man Lav Diaz’Mischung aus Dehnung der Zeit, Öffnung des Raums, Stilisierung und Stillstellung der Figuren sowie elegischem Reenactment historischer Traumata als Realismus sehr eigener Art zu beschreiben versucht.

Wie meist bei Diaz ist es ein Film in Schwarz-Weiß. Die satten Farben des Dschungels sind in digital flirrende Abtönungen von Grau übersetzt. In manchen Einstellungen wird das Geschehen in ein dramatisches Chiaroscuro gesetzt: strahlende Lichtquelle im Hintergrund, schwarz an den Rändern, die agierenden Figuren von einer Art Heiligenschein umgeben oder kaum zu erkennen.

Die Kamera bewegt sich sehr selten und sie perspektiviert den Raum niemals symmetrisch, man blickt oft von zu hohem, zu tiefem Standpunkt, von sehr nahe am Boden oder sehr nah an der Figur in Innen- und Außenräume, die sich in die Tiefe des Bilds staffeln.

Aus solchen schrägen Tableau-vivant-Kompositionen besteht mehr noch als bei Diaz üblich dieser neueste Film. Die Figuren sitzen und stehen, fast unbewegt oft, und wenn sie gehen, in der Regel aus der Tiefe des Bilds auf den Vordergrund zu, dann tun sie es langsam, mit letzter Kraft am Leben hängend, aber dem Wahnsinn schon nah, bedroht von der Umnachtung, die politische Ursachen hat und für die Lav Diaz eine Bildsprache sucht.

Vorführungen: 21.2., 12.30 Uhr Friedrichstadt-Palast, 18.30 Uhr, Haus der Berliner Festspiele, 22.2. 9.30 Uhr Haus der Berliner Festspiele

Die Figuren individuieren sich nur ein wenig, eine sich nach und nach zu einem losen Handlungszusammenhang fügende, dann durch das Morden der Milizen vom Boden der Erde getilgte Gruppe: Der Dichter Hugo Haniway, der ein Gedicht über „den letzten Filipino“ vorträgt und dessen Frau, nachdem sie mutig eine kleine Klinik eröffnet hat, von den Milizen verschleppt wird.

Eine Truppe dieser Milizen, deren Brutalität und Zynismus keine Grenzen kennt und die ihren Anführer, Chairman Narciso verehrt, eine unverständliches Zeug kreischende, groteske Figur mit je einem Gesicht hinten und vorne am Kopf. Eine Frau, die Mann und Kind verloren hat und nun stumm durch Dschungel und Dorf zieht.

Eins kommt diesmal hinzu: Die Monologe und Dialoge sind fast durchweg nicht gesprochen, sondern gesungen. Immer a capella, tendenziell monoton, oft solo, mal im Duett, gelegentlich auch im Chor. Die langen einzelnen Szenen bekommen so eine Art Songstruktur. Manchmal ist das grandios, etwa im Lamento auf eine dem Wahnsinn anheimgegebene Frau. Auch in den wiederkehrenden „La La La“-Songs, die den Zynismus der Täter und die Hilflosigkeit ihrer Opfer in chorische Form bringen.

Nicht selten ist der Effekt aber, dass die Statik der Tableau vivants noch einmal verstärkt wird. Die Narration und die Atmosphäre, die sich in anderen Filmen von Diaz still zu großer Wucht akkumulieren, werden so immer wieder geradezu entladen. Filmische „Rockoper“ nennt der Regisseur (und Lied-Dichter und -Komponist) das selbst. Ein insgesamt eher unglückliches Genre, das auch im Rahmen der einzigartigen Lav-Diaz-Ästhetik eher seine Schwächen als seine Stärken enthüllt.

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