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Berlin vor dem Offenbarungseid

Finanzsenator Peter Kurth plane unrealistisch, analysiert das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung. Die Finanzlage der Hauptstadt sei ausweglos. Der Bund müsse die Haushaltsnotlage anerkennen und zusätzliche Mittel bereitstellen

von RICHARD ROTHER

Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält die Finanzlage Berlins für „schier ausweglos“. Eine Studie, die der DIW-Haushaltsexperte Dieter Vesper im Auftrag des DGB erstellt hat, diagnostiziert jetzt eine „Haushaltsnotlage“. Deshalb müsse der Bund helfend eingreifen.

Zudem hält Vesper die bisherigen Planungen von Finanzsenator Peter Kurth (CDU) zur Haushaltskonsolidierung für unrealistisch. „Aus heutiger Sicht ist unwahrscheinlich, dass am Ende des Jahrzehnts ein ausgeglichener Landeshaushalt erreicht werden kann.“

Auch in der mittelfristigen Finanzplanung klaffen zwischen den Vorstellungen des Senats und des DIW erhebliche Lücken. Während Kurth das Haushaltsdefizit bis zum Jahre 2004 auf 1,4 Milliarden Mark reduzieren will, erwartet das DIW einen Anstieg des Defizits auf 5,4 Milliarden. Grund für die unterschiedlichen Annahmen: Das DIW geht von einem geringeren Wachstum aus als Kurth. Zudem hält das DIW die vom Senat unterstellten Privatisierungserlöse für zu hoch. Schon in der Vergangenheit seien die Ansätze oft mehr vom Wunschdenken als von einer realistischen Sicht geprägt gewesen, so Vesper. Die Steuerkraft Berlins ist zudem sehr gering. In der Finanzplanung ab 2002 finde sich zudem der Titel „angestrebte Ausgabensenkung“ von bis zu 2,1 Milliarden Mark, dessen Realisierung ungewiss sei. Differenzen gibt es auch bei den erwarteten Personalausgaben; hier liegt die DIW-Schätzung im Jahr 2004 immerhin 750 Millionen Mark über der Kurth-Annahme.

Im Jahr 2005 dürfte Berlin niedrigere Pro-Kopf-Ausgaben als Hamburg und Bremen haben; Mitte der 90er-Jahre waren sie noch viel höher. Dennoch werde Berlin von allen Ländern am höchsten verschuldet sein. Vesper: „Ohne Hilfe von außen ist der Haushalt der Hauptstadt nicht zu sanieren.“ Lege man die gleichen Kriterien zugrunde, die seinerzeit für das Saarland und Bremen galten, müssten nun Sondermittel des Bundes zur Milderung der Berliner Haushaltsnotlage fließen.

Vesper verweist auf den bedenklichen Zustand der öffentlichen Infrastruktur. Dazu habe der rigide Sparkurs der Vergangenheit geführt, zu dem es aber keine Alternative gegeben habe. Er habe das Wachstum um bis zu 1,5 Prozentpunkte gebremst. „In Berlin wäre eine Infrastrukturoffensive vonnöten.“ Dafür habe die Stadt aber kein Geld.

Die Hauptstadt könne sich keine destruktive Sparpolitik mehr leisten, betont DGB-Chef Dieter Scholz. Gleichwohl bereite ihm die Finanzlage „Kopfzerbrechen“. Alle Verantwortlichen müssten an einen Tisch und gezielt überlegen, wo der Bund einspringen könne. „Die Türen sind nicht so geschlossen, wie viele glauben.“ Der Haushaltsexperte der Grünen-Bundestagsfraktion, Oswald Metzger, gab Scholz indes indirekt Recht. Es sei kein Tabu mehr, angesichts der desolaten Lage über Sonderzuweisungen des Bundes an Berlin zu diskutieren, so Metzger gestern. Voraussetzung sei jedoch eine seriöse Finanzpolitik des Senats.

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