Berlin in Städterankings: World's top city (nach Mainz)
Städterankings sind nicht nur sinnlos, sondern sogar gefährlich. Für die Bewohner drohen bei guter Platzierung vor allem Verschlechterungen.
Stark in Berlin sind der Studie zufolge die Berliner:innen selbst. Im Bereich Human Ressources schneidet die Stadt gut ab, nicht so gut dagegen, was das Zusammenleben der Berliner:innen angeht, gemeint ist offenbar der soziale Zusammenhalt. Verstehe das, wer will. Schwer nachvollziehbar zudem, wieso die Stadt, die jede unbebaute Fläche mit lebensfeindlichen Bürotürmen zukleistert, ausgerechnet in der Kategorie stadtplanerische Kompetenz gut dasteht. Zugute kommt Berlin dann noch die Verkehrsinfrastruktur, die internationale Ausstrahlung und die Gewinnung von Talenten, wohingegen die Wirtschaftskraft nur für einen Mittelfeldplatz ausreicht.
Die Orientierung der Städte an dem, was in erster Linie Wirtschaft und Tourismus dient, hat so unangenehme Folgen wie Stadtmarketing, Selbstvermarktung oder Steuerkonkurrenz.
Der Neuigkeits- oder Informationswert dieser und anderer Studien tendiert für gewöhnlich gegen Null. Den überwiegend wirtschaftsnahen Instituten, die sich einen Wettkampf um das beste Städteranking liefern, geht es vor allem um Aufmerksamkeit. Produziert wird dann meist allerlei Unsinn anhand von Indizes, die mit dem normalen Leben der Bewohner:innen kaum noch etwas zu tun haben.
Der schönste Park nützt nichts
Ein Beispiel dafür liefert auch ein Städteranking von IW Consult, das die dynamischsten deutschen Großstädte listet. Hier liegt Berlin gar auf einem zweiten Platz, knapp hinter der boomenden Metropole Mainz – und das bei Indikatoren wie Wirtschaftskraft, Baungenehmigungen und Nachhaltigkeit.
Zumindest bei letzterem müssen die deutschen Vergleichsstädte wirklich schlecht performen, denn Berlin belegt gar den ersten Rang im Sustainable Cities Index 2022. Grünflächen und eine vergleichsweise geringe Umweltbelastung reichen trotz Nachholbedarfs im Bereich Treibhausgasen für die Pole Position. Nimmt man jedoch die Kategorien Profit (wirtschaftliche Entwicklung) und People (Verkehrsinfrastruktur, Kriminalität, Bildung) dazu, reicht es nur für Platz 5. Es nützt also der schönste Park nichts, wenn einem dann die Tasche geklaut wird.
Gefährlicher als die nationalen Studien sind dann schon jene internationalen mit großer Aufmerksamkeit. Denn wohin soll das internationale Kapital samt seiner Charaktermasken ziehen, wenn nicht in die Städte, denen die höchste Lebensqualität nachgesagt wird. Immerhin zwölf Städte, zuallererst Wien, hat es da in einer Hitlist der Economist-Gruppe schlimmer getroffen. Trotzdem, 159 Städte liegen, auch angesichts von untersuchten Faktoren wie Stabilität, Gesundheitsversorgung oder Kultur, hinter Berlin.
Auch in Neukölln müsste sich der Jubel der Einheimischen in Grenzen halten über eine Top-Platzierung der trendigsten Nachbarschaften der Welt. Denn, wo alle nur der Coolness folgen, wird es schon bald ziemlich öde.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Gerichtsentscheidung zu Birkenstock
Streit um die Sandale