Berichterstattung über Medien: Intendanten stürzen
Der Medienjournalismus hat es in der Branche schwer, denn er wird oftmals kritisch beäugt. Dabei ist die Kritik nicht immer begründet.
V om Medienwissenschaftler Lutz Hachmeister, der als einer der wenigen seines Fachs auch richtig gut schreiben kann, ist folgender trauriger Satz überliefert: „Ich glaube, dass der Medienjournalismus mit dem Internet perdu gegangen ist, also auch mit dem Niedergang einer kenntlichen nationalen Medienindustrie“. Das hört sich zunächst mal überzeugend an. Schließlich leben wir in einer Zeit, in der selbst ein ARD-Sender „One“ heißt. Und so ziemlich alles Netzig-Fetzige auf Plattformen läuft, die nicht „Made in Germany“ sind.
Nun steht „One“ anstaltsintern ja für „o(h)ne Sinn“. Das kommt der Sache schon näher, weil niemand diesen vom WDR betreuten Abspielkanal wirklich braucht. „Den braucht’s mit seiner peppigen Aufmachung in der ARD“, sagt die Mitbewohnerin. Und außerdem ist One für sie und viele andere Menschen unverzichtbar, wenn statt 20.15-Uhr-„Tatort“ mal wieder die Mediennutzer:innen von morgen in den Schlaf gewiegt werden müssen. Denn um 21.45 Uhr läuft auf One das Ganze nochmal in HD und nicht wie in der Mediathek nur tiefaufgelöst. One könnte auch immer dann hilfreich sein, wenn Bild sich mal wieder über den „Tatort“ aufregt, weil sie ihn beim ersten Durchgang nicht verstanden haben.
Aber ich schweife ab. Medienjournalismus gibt es noch. Das hat unlängst auch eine Studie der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung (OBS) überzeugend nachgewiesen. (Disclaimer: Ich arbeite manchmal auch für die OBS). „Medienjournalismus in Deutschland – seine Leistungen und blinden Flecken“ heißt das Ding. Der Untertitel ist großartig. Denn er weist selbstironisch auf ein Manko der Studie hin, die sich nur mit Medienjournalismus auf den klassischen Medienseiten der Tageszeitungen beschäftigt. Dafür gab es jede Menge Spott.
Schließlich findet Medienjournalismus schon lange auch und gerade im Netz statt, von Bildblog bis Übermedien in Sachen kritische Theorie und Praxis und Diensten wie DWDL bis Meedia auf der Branchenseite. Von „perdu“ kann also eigentlich nicht die Rede sein. Dass die Studie trotz ihres engeren Fokus aber interessante Ergebnisse bringt, geht dabei leider ein wenig unter. Sie fordert beispielsweise, endlich das Radio als eines der meistgenutzten Medien stärker in den Blick zu nehmen, und konstatiert zu wenig Blick über den nationalen Tellerrand.
Das wahre Manko des Medienjournalismus ist aber etwas ganz anderes. Ihm sind Humor und Kampfgeist größtenteils verloren gegangen. Als der erwähnte Hachmeister noch Medienredakteur beim Tagesspiegel war, formulierte er die Aufgabe von Medienjournalismus ganz salopp als „Intendanten stürzen“. Natürlich Frauen und Kinder zuletzt. Da gibt’s viel zu tun, Freunde!
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