Berichte über Gräuel in Syrien: Assad foltert, seine Gegner auch
Seit Jahren lässt das Assad-Regime Oppositionelle verschwinden. Auch Al-Qaida-nahe Islamisten betreiben Geheimkerker, in denen sie Menschen quälen.
GENF/LONDON dpa | Als gezielte Bürgerkriegstaktik lässt das Regime in Syrien seit Jahren unzählige mutmaßliche Oppositionelle in geheimen Kerkern verschwinden. Damit versuchten die Sicherheitsdienste und die Armee, regierungskritische Teile der Bevölkerung einzuschüchtern, erklärte die Unabhängige Internationale Untersuchungskommission für Syrien am Donnerstag in Genf. Die Kommission war bereits 2011 vom UN-Menschenrechtsrat eingesetzt worden.
Die Verschleppung von Menschen, über deren Verbleib das Regime jede Auskunft verweigere, sei „Bestandteil umfassender und systematischer Angriffe gegen die Zivilbevölkerung, die ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen“. Die Verschwundenen sind nach Erkenntnissen der vom UN-Menschenrechtsrat berufenen Kommission Folter und anderen grausamen Praktiken ausgesetzt.
Genaue Zahlen nannte die vom brasilianischen Diplomaten Paulo Pinheiro geführte Expertengruppe nicht. Die syrischen Behörden hätten der Kommission jedwede Information dazu verweigert. Neben den Verschwundenen selbst seien „viele Tausend Familienmitglieder betroffen, die einfach nichts über das Schicksal ihrer Angehörigen erfahren“, erklärte die Kommission zur Vorlage ihres Berichtes „Ohne eine Spur: erzwungenes Verschwinden in Syrien“.
Doch auch die Opposition gegen Assad wird für schwere Greueltaten verantwortlich gemacht. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft der Al-Qaida-nahen Islamisten-Miliz ISIS (Islamischer Staat in Irak und Syrien) grausame Folter und Misshandlung in ihren Geheimgefängnissen in Syrien vor.
Selbst Kinder und Jugendliche würden ausgepeitscht, mit Elektroschockern gequält und in schmerzhaften Körperpositionen gefesselt, stellt ein Bericht fest, den die Organisation am Donnerstag veröffentlichte. Auch Erschießungen von Gefangenengruppen zählten zu den Unterdrückungsmethoden der ISIS, die Gebiete im Norden Syriens kontrolliert.
Der Bericht mit dem Titel „Herrschaft des Schreckens: Gefangenenmisshandlungen durch die ISIS in Nordsyrien“ stützt sich auf die Aussagen überlebender Opfer. In den Gebieten, die sie kontrolliert, würde die ultra-religiöse Miliz ihre extremen Vorstellungen von islamischem Recht durchsetzen: Menschen würden wegen Vergehen wie Zigarettenrauchen oder außerehelichem Sex eingesperrt und misshandelt. Aber auch Kritik an dem Herrschaftsstil der ISIS oder die Zugehörigkeit zu einer rivalisierenden Rebellenmiliz könnten Gefangennahme und Folter nach sich ziehen.
Die ISIS stammt eigentlich aus dem Irak. Ihr Anführer Abu Bakr al-Bagdadi vereinigte den irakischen Al-Kaida-Ableger mit extremistischen Gruppen in Syrien, die dort gegen das Regime des Machthabers Baschar al-Assad kämpfen. Al-Bagdadis Miliz kontrolliert unter anderen die Provinzhauptstadt Al-Rakka sowie Teile der nördlichen Metropole Aleppo. Sie steht auch hinter zahlreichen Entführungen von ausländischen Helfern und Journalisten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind