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Bericht zu ÜberschuldungKrankheit als Schuldenfalle

Ein aktueller Bericht zeigt die Gründe für private Überschuldung. Nach zwei Krisen in Folge scheinen bei vielen Menschen die Reserven verbraucht.

Krankheit ist der zweit häufigste Grund für Überschuldung Foto: imago

Berlin taz | Krankheit wird zum zweithäufigsten Grund für Überschuldung. Zu diesem Ergebnis kommt der Überschuldungsreport 2023, der in dieser Woche erscheint und der taz bereits vorliegt.

Seit 2007 gibt das gemeinnützige Institut für Finanzdienstleistungen iff einen jährlichen Überschuldungsreport heraus. Der Report 2023 umfasst Daten des Jahres 2022 aus 78 Schuldnerberatungsstellen mit fast 188.000 Beratungsfällen, davon mehr als 16.000, die im Jahr 2022 begonnen haben.

Insgesamt, so das Institut, waren im vergangenen Jahr 5,88 Millionen Menschen überschuldet, am häufigsten betroffen Alleinerziehende und alleinlebende Männer. Als überschuldet gilt, wer seinen Zahlungsverpflichtungen auf längere Zeit nicht mehr nachkommen kann, ohne die eigene Grundversorgung zu gefährden. Häufigste Schuldenarten sind Ratenkredite, Schulden bei öffentlich-rechtlichen Gläubigern und dem Finanzamt.

„Die TOP 6 der Überschuldungsgründe sind immer die gleichen“, sagt Mitautorin Hanne Roggemann der taz. Arbeitslosigkeit bleibt Grund Nummer 1 (knapp 20 Prozent der Fälle). Dahinter nehmen Ereignisse an Bedeutung zu, auf die die Betroffenen oft kaum Einfluss hätten – wie Krankheit mit dem höchsten Wert seit 15 Jahren (knapp 13 Prozent), Trennung/Scheidung und Einkommensarmut (beide je rund 10 Prozent).

Fokus auf überschuldete Kleinselbstständige

Der Zusammenhang zwischen Krankheit und Überschuldung sei zwar durch Corona deutlicher geworden, aber noch nicht ausreichend erforscht, so Roggemann. Bei jedem/jeder Zehnten führte das Konsumverhalten zur Überschuldung.

Die typische Schuldenhöhe sinkt nach jahrelangem Anstieg leicht – dies könne ein Indiz dafür sein, dass nach zwei Krisen vor allem in einkommensschwachen Haushalten alle Reserven aufgebraucht seien. So wird schon eine geringere Schuldenhöhe zum Überschuldungsrisiko.

Die Krisen der vergangenen zwei Jahre hätten zwar ins Bewusstsein gebracht, dass Überschuldung oft unverschuldet entsteht. Entsprechende politische Maßnahmen wie ein Kündigungsstopp bei Mietschulden seien aber nur temporär gewesen, sagt Roggemann. „Dabei ist es für die von Überschuldung betroffenen Personen im Grunde egal, ob sie wegen Corona oder einem anderen unerwarteten Ereignis in die Schulden rutschen.“

Einen Fokus legten die Berichtsautorinnen auf die Situation überschuldeter ehemaliger Kleinselbstständiger. Von den auf Ver­brau­che­r*in­nen spezialisierten Schuldnerberatungen würden sie häufig abgewiesen – auch weil für deren Beratung spezielles Wissen nötig ist. Alternative Beratungsstrukturen gebe es für die von den Krisen der vergangenen drei Jahren besonders betroffene Gruppe aber nur sehr vereinzelt, so Roggemann.

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