piwik no script img

Bericht über humanitäre BrennpunkteWo 2024 die Hölle wird

Das Hilfswerk IRC hat recherchiert, in welchen Ländern sich die Lage der Menschen am meisten verschlechtert. Konflikt und Klimawandel fallen zusammen.

Die Sudanesin Amani Abdullah ist auf der Flucht vor den RSF Foto: Zohra Bensemra/reuters

Berlin epd/taz | In Sudan, den palästinensischen Gebieten und in Südsudan wird sich die Lage der Bevölkerung nach Befürchtungen der US-Hilfsorganisation International Rescue Committee (IRC) im kommenden Jahr weltweit am stärksten verschlimmern. In insgesamt 20 Ländern, in denen mit einer starken Verschlechterung der Lage zu rechnen ist, lebten etwa zehn Prozent der Weltbevölkerung, auf sie entfielen aber rund 86 Prozent der knapp 300 Millionen Menschen weltweit mit humanitärem Hilfsbedarf, erklärte das IRC am Donnerstag bei der Vorstellung seiner „Emergency Watchlist 2024“. Acht Länder unter den ersten zehn auf der Liste liegen in Afrika.

An erster Stelle nennt das IRC Sudan, wo seit April die Armee und die paramilitärische Miliz RSF (Rapid Support Forces) einen blutigen Machtkampf austragen und Millionen von Menschen in die Flucht getrieben wurden. „Die großflächige urbane Kriegsführung, die Gefahr, dass sich die Kämpfe auf andere Regionen ausbreiten, und eine geringe internationale Aufmerksamkeit können dazu führen, dass sich die Lage 2024 noch dramatisch verschlechtert“, heißt es in dem Bericht.

Der Gazastreifen gelte zum Jahreswechsel weltweit als der gefährlichste Ort für die Zivilbevölkerung, erklärt das IRC zur Nummer zwei der Watchlist, den palästinensischen Gebieten. 2024 würden im Gazastreifen und im Westjordanland drei Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen sein. Es werde erwartet, dass der Bedarf vor allem angesichts des drohenden Zusammenbruchs des Gesundheitssystems im Gazastreifen, wo rund 2,3 Millionen Menschen leben, weiter steige.

Südsudan, die Nummer Drei, leide massiv unter den Auswirkungen des Konflikts in Sudan und des Klimawandels, heißt es. Für das nächste Jahr würden dort erneut Überschwemmungen erwartet, ausgelöst durch das Extremwetterphänomen El Niño. Der Krieg drohe, die fragile Wirtschaft des Landes weiter zu destabilisieren.

Unter den ersten zehn Ländern auf der Watchlist folgen auf den Plätzen Vier bis Sechs Burkina Faso, Myanmar und Mali, danach Somalia, Niger, Äthiopien und die Demokratische Republik Kongo. Weitere zehn Länder werden ohne Ranking genannt: Afghanistan, Ecuador, Haiti, Jemen, Nigeria, Syrien, Tschad, Ukraine und die Zentralafrikanische Republik.

Der IRC-Bericht betont drei beunruhigende Trends, die das kommende Jahr prägen dürften: Bewaffnete Konflikte und Klimawandel fielen zunehmend örtlich und zeitlich zusammen; Zivilisten seien zunehmend zwischen staatlichen und nichtstaatlichen Gewaltakteuren gefangen; und regionale Mächte sowie Großmächte würden Konflikte eher befeuern als lösen, wie man etwa in Sudan sehe. „Selbst wenn sie zu vermitteln versuchen, erweisen sich ihre Bemühungen als wirkungslos.“

Die Schlagzeilen würden aus gutem Grund von der Krise im Gazastreifen beherrscht, erklärte IRC-Präsident David Miliband, ehemals britischer Labour-Außenminister. „Aber die Liste erinnert uns auch daran, dass auch andere Teile der Welt in Flammen stehen, und zwar aus strukturellen Gründen, die mit Konflikten, dem Klimawandel und der Wirtschaftslage zusammenhängen“, sagte er. „Wir müssen es schaffen, mehr als eine Krise auf einmal zu bewältigen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • Ist doch schön, dass man das alles schon weiß. Wäre es zumindest, falls etwas dagegen getan würde. Vieles ist allerdings wirklich "strukturell" und die Ursachen nur langfristig zu bekämpfen. Aber natürlich wären die Symptome schon zu lindern. Und der Klimawandel beginnt ja gerade erst. Nicht nur dort wo früher schon politische und ethnische Konflikte oder Verteilungskämpfe die Menschen leiden ließen, kommen zunehmend auch noch Umweltzerstörung und damit noch mehr Hunger, Flucht und Destabilisierung hinzu. Alles vorhersehbar, seit Jahren schon.