Bericht des Stockholmer Sipri-Instituts: Rüstungsgüter boomen
Viele Wirtschaftszweige leiden unter der Pandemie. Aber die Rüstungsindustrie profitiert davon, dass Regierungen Militärausgaben wegen Corona erhöhen.
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Errechnet hat diese Zahlen das Stockholmer Friedensforschungsinstitut Sipri, das sie am Montag in seinem jährlich publizierten Bericht über die Top-Rüstungskonzerne veröffentlicht.
Die Rüstungsbranche arbeite eben in einem gegen Konjunkturschwankungen relativ geschütztem Raum, sagt Alexandra Marksteiner, Forscherin beim Sipri-Programm für Militärausgaben und Waffenproduktion: „Die Branchenriesen wurden weitgehend durch die anhaltende Nachfrage der Regierungen nach militärischen Gütern und Dienstleistungen abgeschirmt.“ Mehr noch: „In weiten Teilen der Welt stiegen die Militärausgaben, und einige Regierungen beschleunigten sogar die Zahlungen an die Rüstungsindustrie, um die Auswirkungen der Covid-19-Krise abzumildern.“
Völlig immun gegen die Begleiterscheinungen der Pandemie ist allerdings auch die Rüstungsbranche nicht. Einige Unternehmen meldeten ähnlich wie andere Betriebe der Industrie- und Elektronikbranche fehlende Komponenten, Unterbrechungen in der Lieferkette und verspätete Lieferungen. In manchen Ländern waren es auch staatlich angeordnete Lockdowns, die zu Produktionsstörungen führten. In Frankreich war davon vor allem der Waffenprozent Thales betroffen mit einem nach eigener Einschätzung lockdowninduzierten Umsatzrückgang von 5,8 Prozent.
US-Unternehmen führen Ranking an
Die vier deutschen Rüstungsschmieden auf der Top-100-Liste entwickelten sich unterschiedlich. Zusammen legten sie um 1,3 Prozent zu, wobei ThyssenKrupp ein Minus von 3,7 Prozent und Krauss-Maffei Wegmann von 7,5 Prozent vermeldete. Der aktuell wegen des Vorwurfs der Umgehung von Exportbeschränkungen für Drohnen kritisierte Elektronikspezialist Hensholdt verbuchte dagegen ein Plus von 7,9 Prozent und Deutschlands größter Rüstungskonzern Rheinmetall von 5,2 Prozent. Der Anteil der Rüstungssparte wuchs bei Rheinmetall von 56 auf 63 Prozent. Mit einem auf 4,2 Milliarden Dollar gestiegenen Rüstungsumsatz schob sich das Unternehmen in der Top-100-Liste von Platz 32 auf Platz 27 vor.
Das weltweite Ranking wird seit 2009 vom Unternehmen Lockheed-Martin, dem mit weitem Abstand größten Rüstungskonzern, angeführt. Allein sein Erlöszuwachs von 4,2 Prozent auf 58,2 Milliarden Dollar entspricht Rheinmetalls gesamtem Umsatz mit Rüstungsgütern. Überhaupt sind US-Rüstungskonzerne weiterhin dominant in der Produktion von Waffen und bei militärischen Dienstleistungen. Sie stellen 41 der 100 größten Unternehmen und alle Top-5-Konzerne auf der Sipri-Liste. Die Dominanz dürfte sich eher noch verstärken, schätzt das Friedensforschungsinstitut: „Die US-Waffenindustrie erlebt eine Welle von Fusionen und Übernahmen.“
China legt zu
Während sich der seit 2017 anhaltende Abwärtstrend russischer Waffenschmieden aufgrund eines verminderten Militärbudgets Moskaus im vergangenen Jahr mit einem Minus von 6,5 Prozent weiter fortsetzte, gibt es bei den chinesischen Rüstungsfirmen eine entgegengesetzte Entwicklung. Dem Plus von 4,3 Prozent 2019 folgte 2020 ein weiteres mit 1,5 Prozent.
„In den letzten Jahren haben chinesische Rüstungsunternehmen von den militärischen Modernisierungsprogrammen des Landes profitiert und sich auf eine Fusion militärischer und ziviler Produktion konzentriert“, sagt Sipri-Forscher Nan Tian: „Sie haben sich zu einem der fortschrittlichsten Militärtechnologiehersteller der Welt entwickelt.“
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